6 Tage Havelfahrt

Axel Erxlebe
Salzwedel

Eine „PFEIL“schnelle Fahrt auf der Havel beginnend in Wesenberg in Mecklenburg Vorpommern über Berlin, Potsdam und Brandenburg bis Rathenow mit Ralf Schwarz aus Kalbe/Milde als Kapitän und Koch und Axel Erxlebe aus Salzwedel als Steuermann und Maschinist.
 
Ein  Reisebericht über eine aufregende aber schöne Woche, mit Pleiten, Pech und Pannen, aber auch über Paddeldiebe und Einbrecher. Angetreten mit einem Faltboot aus der damaligen DDR Produktion „POUCH RZ 85/II“ und dem MAW „PFEIL“ Bootsmotor.

 

1. Tag Sonntag 24.06.2007

Wie bei jeder Reise bedurfte es auch bei dieser einer gewissen Vorbereitung. Die Fahrt nach Hamburg brachte einige Erkenntnisse mit sich und somit auch notwendige Veränderungen an Boot und Motor. Ralf ließ über den Winter die Persenning verlängern, denn diese ließ sich auf Grund der Halterungen vom Motor nicht ganz schließen. Dicht ist sie zwar immer noch nicht, aber die im Normalbetrieb in das Boot eindringenden Wassermengen konnten doch minimiert werden. Aber auch für dieses Problem wird sich eine Lösung finden. Das Betanken während der Fahrt nach Hamburg geschah aus Ölflaschen mit herausziehbaren Tüllen. Diese Tüllen reißen aber sehr schnell ein, so das diese Flaschen nach und nach ihren Geist aufgaben. So nicht dauerhaft verwendbar fielen sie in die Rubrik „Blendwerk des Kapitalismus“, einer in der DDR von den Politorganen zur allgemeinen Abschreckung, eher aber der Erheiterung dienenden geprägten Losung. Die heutzutage erhältlichen Billigwaren bekommen aber immer noch von mir diese Zuordnung. Irgendwie paßt diese ja auch dazu. Als wir während der Fahrt nach Hamburg die Gezeitenschleuse Geesthacht hinter uns gelassen hatten regnete es immer noch. Die Elbe ist dort eingedeicht und somit etwas langweilig für das betrachtende Auge wie eine Kanalfahrt. Zeit genug also, um über eine Verbesserung des Tankvorganges nachzudenken. Denn den Tankinhalt kann man einerseits nicht ablesen und den Füllvorgang nur mit dem Zeigefinger überprüfen. War der Tank voll dann stand er fast still, wackelte aber mehr und mehr bei sinkendem Füllstand. Der erste Gedanke mit Teilen von einem Blutdruckmeßgerät etwas Druck einen Schlauch in einen Kanister zu pumpen und somit das Benzin über ein Steigrohr aus dem Kanister in den Tank zu heben hatte als Grundidee für dieses Verfahren auch Bestand. Ebay verhalf auch schnell und preisgünstig zu so einem Gerät. Nur erwiesen sich dabei die Schlauchanschlüsse der zu verwendenden Gerätekomponenten als zu kurz bei eventuellen unvorhersehbaren Zugbelastungen. Die Rückschlagventile dieses Gerätes waren gekapselt und somit bei einer Verunreinigung durch eventuelle Fremdkörper nicht zu reinigen. Einer Benzinverträglichkeitsprobe mit den Gummiteilen der diese wie vermutet auch nicht standhielten, ließen das Projekt Blutdruckmeßgerät fast völlig sterben. Einzig das Druckablaßventil fand seine Verwendung. Erst einmal war Ratlosigkeit und nachdenken in der heimischen Werkstatt angesagt. Eine Luftpumpe, die könnte den Balg vom Blutdruckmeßgerät ersetzen. Diese war aber zu lang und ein Gewindeschneider für dieses Gewinde war auch nicht zur Hand. Aber bei meinen Eltern da könnte noch die Ballpumpe aus tiefsten DDR Zeiten irgendwo umher liegen. Das tat sie auch noch. Denn von der zu dieser Zeit herrschenden Nichtwegwerfmentalität kann man sich doch nur schwer trennen. Der Länge nach paßte sie, nur der Holzgriff wich einem Knauf um nicht den Eindruck zu erwecken das man schwimmend mit einem Hühnerschreck ein Volleyball Turnier  erreichen wolle. Hinter der Pumpe wurde ein Ventilstutzen für die Aufnahme eines Rückschlagventils vom Fahrrad eingebaut. Die Überwurfschraube wurde in ein Messingrohr eingelötet und dieses mit dem Druckluftablaßventil verlötet. Dieses Messingrohr wurde auch noch mit einer Mutter verlötet. Das Ablaßventil vom Blutdruckmeßgerät bekam noch einen Schlauchanschlußstutzen von OBI & Co und die Pumpe funktionierte wie gedacht. Bei einem vollen Kanister reichen ca. acht Pumpenstöße und der Tank vom MAW ist voll. Der Tank bekam die notwendigen Anschlüsse in Eigenbau hergestellt und Schlauchanschlußstutzen vom Baumarkt. Die Entlüftung wurde vergrößert und weiter nach oben verlegt verbunden mit einer größeren Öffnung, damit sich während des Betankens kein Druck aufbaut. Den Abschluß bildet eine Kappe von einem Heizungsrohr. Ein Benzinschlauch als Füllstandsanzeige zeigt nun präzise den Pegel an. In den Abschlußstopfen wurden  schräg von unten noch drei 0,5mm Bohrungen eingebracht. Diese dienen dazu keinen Druckaufbau im Füllstandsanzeiger zuzulassen. Denn ansonsten würde die Anzeige einen unweigerlich beschwindeln. Alle Teile an der Pumpe und dem Tank sind so großflächig wie möglich mit einem Gasbrenner weich verlötet worden um größtmöglichen Belastungen standzuhalten. Und das haben sie auch. Beim Betanken reichen einige Hübe mit der Pumpe und dabei wird der Tank bis ca. 1cm vor dem Ring der Halterung für die Füllstandsanzeige befüllt. Die letzten Pumpvorgänge müssen aber zeitlich weiter auseinander liegen. Der noch anstehende Druck im Kanister läßt den Pegel langsam weiter steigen. Erreicht der Pegel dann den Ring der oberen Halterung vom Füllstandsanzeiger, so  ist das Druckablaßventil zu öffnen. Der Restdruck wird abgebaut und die Flüssigkeitssäule im zuführenden Schlauch fällt. Dadurch kann nun auch ein Kanisterwechsel während der Fahrt durchgeführt werden. Dieser ist bei dem Verbrauch des MAW in der Regel bestimmt nicht notwendig. Denn der harte Sitz des Bootes sagt dem Sitzfleisch dann schon rechtzeitig wann Feierabend zu sein hat. Es sei denn man will Kilometer schaffen. Aber irgendwann verliert dann auch jede Fahrt jeglichen Reiz. Nun  wird es vielleicht Leute geben die sich bei  Begriffen wie Kanister und Druck die Haare raufen. Nun, die Flüssigkeitssäule von Wasser bei einer Höhe 10 Metern bewirkt einen Druck von einem BAR (atü ). Bei der Hubhöhe von ca. 70cm bei fast leerem Kanister liegt man im Millibarbereich. Da das Gemisch eine noch geringere physikalische Dichte hat als Wasser  ist dieser Wert noch geringer. Einen dauerhaften Druck gibt es nicht, den dieses System ist bedingt durch die Entlüftung ein offenes. So wie ein jeder Tank vom Hühnerschreck auch. Bei einer Probefahrt auf der Elbe wurden Persenning und Betankungsanlage  einem Test unterzogen und für gut befunden. Lediglich die Pumpenstange wanderte bedingt durch die Vibrationen aus der Pumpe. Eine exzentrische Bohrung durch die nachträglich eingebaute Miramidbuchse in der Schraubkappe der Pumpe, in die ein Stück Fahrradspeiche mit einer Öse zur Aufnahme eines O Ringes eingebracht wurde schaffte schnelle Abhilfe. Kurz vor der Fahrt wurde noch die Verpflegung eingekauft. Und da Geschmacksnerven nun mal verschiedene Ansichten haben waren wir beide gleichzeitig beim Einkauf anwesend. Auch um ja nichts zu vergessen. Bis auf Brot, das am Sonnabend gekauft wurde deckten wir uns mit so vielen Lebensmitteln ein um einige Zeit, auch wenn wir von der Außenwelt abgeschnitten  wären zu überleben. Nur Wasser durfte in diesem Falle nicht fehlen. Etwas hatten wir auch immer täglich frisch im Wassersack dabei. Denn sieht man sich den Havelverlauf bei Google Earth einmal an, so wird man ziemlich große Waldgebiete vorfinden. Ein Motorschaden ist so nicht gravierend, aber etwas unter der Wasseroberfläche das die Bootshaut zerstören könnte und damit bewirkt das wir abends total naß an unbekannter Stelle anlanden müßte. Wir haben es mit einkalkuliert. Denn mit zunehmender Dunkelheit durch unbekannte Wälder irren. Das braucht wirklich nicht zu sein. Zudem nach Ende der Schleusungszeiten die Havel im oberen Bereich so gut wie menschenleer ist. Die Elbe ist in dieser Hinsicht doch etwas zivilisierter. Weil wir mit einem Boot und einem Motor aus tiefsten DDR Zeiten unterwegs waren, fand der Kult dieser Zeit damit keineswegs ein Ende. Da Ralf ein bekennender Rotweinfan ist, wurden nur Weinsorten aus ehemaligen und noch existierenden Anbauorten der ex DDR und den ehemaligen sozialistischen Bruderstaaten gekauft. Bis auf die Oliven im Glas waren Ralf und ich beim Einkauf auch einer Meinung. Mein Fall sind diese Dinger wirklich nicht. Ralf trabte los und kam mit einem Glas Knoblauch in Marinade zurück. Zwei Gesichter in denen sich äußerste Zufriedenheit wieder spiegelte. Einstimmig wurde beschlossen für jeden Tag ein Glas, das reicht für uns und auch für die Nasen anderer und uns bis dahin noch gänzlich unbekannter Mitmenschen. Somit waren alle Vorbereitungen erledigt und die ganze Ausrüstung wurde verladen. Nicole und Andreas Klar aus Salzwedel hatten sich bereit erklärt uns bis nach Wesenberg zu bringen, aber auch uns von jedem Punkt im Falle einer nicht zu behebenden Panne abzuholen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen den beiden auch im Namen von Ralf hiermit einfach nur danke zu sagen. Ein Discounter in Wesenberg hatte auch am Sonntag auf. Noch  schnell etwas Mineralwasser eingekauft, aber der Bäcker in diesem Markt regte schon beim Vorbeigehen zu einem zünftigen Kaffeetrinken an. Da wir nur zwei Tassen in unserer Ausrüstung hatten, wurde die Bäckersfrau zum Sponsering von zwei Pappbechern überredet. Dieses Überreden war auch gar nicht so anstrengend wie anfangs gedacht, wurde aber von unserer Seite mit einem kleinen Trinkgeld honoriert. So ein Bäcker will ja auch leben und außerdem gebietet es die Höflichkeit. Auf dem Zeltplatz Kanumühle in Wesenberg angekommen, wurden die Formalitäten für die Übernachtung erledigt und die Ausrüstung zum Standort unseres Zeltes gebracht. Während das Kaffeewasser kochte wurde das Zelt aufgebaut und eingerichtet, wenn man bei dem wenigen „Mobiliar“ welches wir hatten überhaupt von Einrichten die Rede sein konnte. Danach mit frischem Kaffee und Kuchen auf diesem idyllisch gelegenen Zeltplatz an einer überdachten Sitzgelegenheit bei Sonnenschein, was will man mehr. Beim Zusammenbauen des Bootes erklärte mir Ralf die Einzelteile, denn bevor ich ihn kennenlernte hatte ich abgesehen von Wassertretern und Ruderbooten nur Erfahrungen mit der Weißen Flotte und von den Kutterfahrten auf der Nordsee. Wobei diese Kutter für mich nur das Transportmittel sind um Makrelen zu fangen. Ralf sprach von einem Süllrand, Senten und Holzteilen mit noch eigenartigeren Namen. Aber auch von einer Bodenleiter auf der man aber nicht hinaufsteigen kann war die Rede. Als dann aber auch noch der Begriff vom vorderen und hinteren Totholz fiel, da war meine Geduld doch am Ende. Auf meine Worte, daß totes Holz doch in den Ofen gehört gab es nur einen eigenartigen Blick von Ralf. Ich schwieg sodann etwas und dachte so für mich, mach du mal deine Maschine und wenn dieses Schiff einmal untergeht, dann bestimmt nur wegen dieses nicht mehr lebendigen Holzes. Aber Ralf kennt mich ja und von Übelnehmen seinerseits keine Spur. Diese Sprüche einfach nur in die Welt der guten Taten eingeordnet und das Leben ist wieder in Ordnung. Da wir Andreas Klar zum Ende der Hamburgfahrt versprochen hatten mit ihm in diesem Boot zu fahren, es aber bedingt durch ein aufziehendes Schlechtwettergebiet nicht machen konnten klappte es aber diesmal.  Bis zur Brücke wurde gepaddelt und an dieser der Motor gestartet. Die Runden auf dem Woblitzsee gefielen ihm auch recht gut. Zumindest bis zu dem Punkt als durch kleine Wellen, die eigentlich noch gar keine sind sich bei etwas schnellerer Fahrt auf dem vorderen Sitzplatz eine Art  Badezimmerathmosphäre einstellte. Um es kurz zu sagen, er wusch sich das Wasser aus dem Gesicht. Derjenige der vorn sitzt hat nun mal die unfreiwillige Aufgabe sich um dieses Wasser zu kümmern damit der Steuermann hinten im Boot nicht bei seinen Aufgaben beeinträchtigt wird.

Aber bis zum Zeltplatz war doch alles wieder trocken.  Mit etwas Gegrilltem wurden die Beiden verabschiedet, denn hungrig wollten wir sie nicht gehen lassen. Nun hatten wir etwas Zeit uns auf diesem Platz umzuschauen. Dabei wurde besprochen noch die Flasche Wein die wir für jeden Tag eingeplant hatten zu leeren, um dann die Nachtruhe anzutreten. Aber so ganz nebenbei betrachteten wir eine Gruppe Paddler, die wie sich später herausstellte aus dem Großraum Frankfurt /M kam. Diese war emsig damit beschäftigt eine Riesenmenge an Bier in ihren Unterkünften zu verstauen. Mit einer frühen Nachtruhe würde es wohl nichts werden, denn scheinbar lag ein noch lustig werdender Abend in der Luft. Und der wurde es dann auch. Die Jungs waren auch nicht von gestern und Durst hatten sie viel mehr als wir. Ein Lagerfeuer flackerte inzwischen auch schon. Recht gemütlich also. Gegen 22.00 Uhr etwa war es. Links und rechts neben den noch glühenden Holzresten lagen schon wieder zwei große Stücke Holz, als jemand sagte wir können doch mal die Bratwürste auflegen. Und prompt war es wieder da dieses Gefühl in der Magengegend. Bei mir ist das nun einmal so. Das Gefühl satt kenne ich nicht, denn entweder habe ich Hunger oder mir ist schlecht. Das war aber auch schon immer so. Als Grill dienten ihnen zwei Gitterroste von irgendeinem Markt. Irgendwelche Preisschilder an diesen waren aber nicht zu sehen. Egal. Aber das, was dann auf diese Roste aufgelegt wurden führte bei mir doch zu Krämpfen in der Magengegend und zu einer vermehrten Speichelproduktion im Mund. Frische echte Thüringer Bratwürste, genau diese die in roher Form so schlabberig sind. Wir hatten nur wegen der Haltbarkeit die in Folie.  Wie aber an die Thüringer herankommen. Plump geht nie, also schnell noch zwei drei Witze erzählt und einem der Thüringerwurstverwalter auf den Buckel geklopft und dabei in so in etwa gesagt „Ich habe das Gefühl wir kennen uns schon sehr  lange“ (drei Stunden) und mal so eben einen Würstchentausch vorgeschlagen. Das hat auch problemlos funktioniert. Während sie die Würste noch mit den Fingern wendeten und sich dabei die Finger verbrannten, holten wir unsere verschweißten und legten sie dazu. Als Ralf dann aber aus seinem Küchenrollwickel auch noch eine Bratwurstwendezange hervorzauberte, da staunten sie nicht schlecht auf welchem doch hohen technischen Niveau wir unsere Reise antraten.

Wie auf dem Bild zu sehen ist hat sich unsere Bratwurstlage vollends entspannt. Denn die schon fast fertig gegrillten Würste, daß sind die Thüringer. Und diese gehörten ihnen schon lange nicht mehr. Um ca. ein Uhr verschwanden wir in unserem Zelt, während die Anderen noch fröhlich weiter feierten. Ralf sagte noch das die dritte Flasche Wein eigentlich nicht hätte sein zu brauchen. Der Meinung war ich auch. Aber was man am Abend ißt und trinkt, daß braucht man am nächsten Morgen auch nicht im Boot zu verstauen. Und dieses würde ja auch noch voll genug werden.

 

2.Tag Montag 25.06.2007

Aufstehen wenn der innere Wecker klingelt, daß ist Urlaub so wie man ihn sich vorstellt. An diesem Tage meldete er sich aber schon um sieben Uhr. Der Tau der auf dem Gras glitzerte,  benetzte kühl die Füße und sorgte dafür das man schneller wach wurde. Die Truppe vom Vorabend aber schlief noch fest und selig. Die Reste vom Lagerfeuer qualmten ein wenig und die Roste lagen auch noch auf den Resten der großen Holzstücke. Ein kurzer Blick ob da vielleicht doch noch Würste  waren. In diesem Moment war ich aber auch vollends wach. Ich hatte  Hunger. Also, erst einmal waschen und dann mal so weiter sehen. Ralf kam mir schon von dieser morgendlichen Reinigungsprozedur entgegen und sagte bloß “Die Brötchen sind noch nicht da“. Bezüglich meines Gefühles in der Magengegend hätte er diese Worte durchaus etwas schonender und verträglicher formulieren können. Aber ihm ging es wahrscheinlich auch nicht anders. Das Zelt und die Sachen waren zu entlüften und alles zu verpacken. Eben die von nun an täglichen morgendlichen Aufgaben. Inzwischen kochte das Wasser auf dem Benzinkocher und die Brötchen waren dann auch schon da. Gegen ein zusätzliches Entgelt konnte man diese am Tage zuvor bestellen. Frühstücken, abwaschen, das Boot ins Wasser bringen und die Ausrüstung verladen. Dieser Verladeprozeß lief immer wie folgt ab. Ralf war für das vordere Unterdeck und ich für das hintere verantwortlich. Nachdem Ralf die größeren Stücke verstaut und zuerst eingestiegen war, man sollte es eigentlich einfädeln nennen reichte ich ihm noch die kleineren Stücke die er auch noch irgendwie unterbrachte. Beengt wie er nun saß fragte ich ob er denn auch im Falle eines Kenterns heraus käme. „Es wird schon gehen“ war die Antwort. Hinten war es nicht ganz so eng, denn eine gewisse Beinfreiheit war doch zum Steuern nötig.

Auf Grund größeren Ausrüstungsmenge gegenüber der Fahrt nach Hamburg wurde auch auf die Auftriebskörper im Boot verzichtet. Da wir der Meinung waren, daß bei einem Kentern die verbleibende Luft in den Packsäcken ausreichen würde das Boot an der Wasseroberfläche zu halten. Diese Menge an Ausrüstung konnte auch im Boot untergebracht werden. Viel mehr hätte es aber auch nicht sein dürfen. Mittlerweile hatte auch ich mir einige dieser relativ dichten Rollsäcke zugelegt. Auch um nicht mehr aus der Not heraus ungewollt Reklame für einen Discounter zu fahren. Aus dem kleinen Kanal von der Kanumühle heraus wurde gepaddelt und auf der Havel der Motor mittels der Reißleine gestartet. Um 08.20 Uhr setzte sich das Boot in Bewegung. Schwer wie im Verhältnis zu einem Schlachtschiff, so schwerfällig folgte das Boot auch den Ruderbewegungen. Man mußte sich also schon darauf einstellen. Das Logbuch in Form eines kleinen Schreibblocks befand sich im Gegensatz zur Hamburgfahrt in einer kleinen Plastetüte damit es nicht wieder naß werden konnte. Mit den Erkenntnissen aus letzterer Reise konnte uns somit rein gar nichts mehr passieren. Nach kurzer Zeit war die Schleuse Wesenberg erreicht. Der Schleusenwärter machte doch recht große Augen als ein recht lautes Paddelboot in die Schleusenkammer einfuhr. Nach 15 Minuten öffneten sich die Tore und wir konnten weiter fahren. Eine Handbewegung zum Motor hin, um die ausströmende warme Gebläseluft zu prüfen rief die Idee eines so allgemein nicht üblichen Haushaltsgerätes auf den Plan. Die von der morgendlichen Reinigungsprozedur noch feuchten Handtücher waren in einer separaten Tüte untergebracht, damit sie nicht ihre Feuchtigkeit auf andere Kleidungsstücke übertragen und diese der Verstockung verfallen sollten. Die Aufforderung an Ralf „ Gib mir doch mal die Tüte mit den Handtüchern“ konnte er verständlicher Weise nicht richtig einordnen. Und der Gesichtsausdruck von ihm ließ eher auf diese Art seiner Gedanken schließen: „Der hat sich wahrscheinlich die Gehörschutzstöpsel viel zu tief in die Ohren und noch ein Stückchen weiter darüber hinaus gesteckt“.

Nachdem dann auch Ralf die Multifunktionsfähigkeit des Hühnerschrecks in Augenschein nahm, verfielen seine Gesichtsausdrücke auch wieder in den Bereich des Verstehens. Sicherlich dachte auch er das es angenehmer ist nach der nächsten Wäsche ein trockenes Tuch zur Hand zu haben. Die grobe Vortrocknung erledigte der Hühnerschreck und den Rest die Sonne. Nachdem der Hühnerschreck seine häuslichen Pflichten erledigt hatte, war jetzt auch wieder Zeit sich den Schönheiten der Natur zu widmen. Hinten im Boot jedenfalls. Vorn ging das normale Leben ja weiter. Ahrensberg und mit seiner Hausbrücke war alsbald erreicht. Und Ralf dem gelang während der Fahrt sogar noch eine Aufnahme von Libellen beim Liebesspiel.

Nach Ahrensberg folgte ein See nach dem anderen und es gab mehr als genug zu sehen. Auf einem See ließ sich die Ruderanlage nicht mehr so richtig bedienen. Standgas eingestellt und Ralf auf die Schulter geklopft. Auf seine Frage „Was ist“, die Antwort „Ruder kaputt“. Ralf dachte zuerst wir hätten ganz hinten etwas ganz Wichtiges verloren. Aber beim Öffnen der Persenning zeigte sich das Malheur. Eine Leimstelle am Steuerbock hatte sich nach Jahrzehnten gelöst. Was ich an Ersatzmaterialien eingepackt hatte, es war nichts dabei was uns hätte helfen können. Als Ralf auf die Frage nach Bindfaden nur verneinend die Schultern hob und dabei sagte,“ Du bist der LI, daß ist deine Sache. Mach dir mal`n Kopf“, war erst einmal Ratlosigkeit angesagt. Was macht man in der Wildnis in dieser Lage? Nach Bindfaden am Ufer oder im Schilf suchen um diesen mit einer Schraube spannend zu verdrallen, oder nach etwas Draht. Dieser wurde auch alsbald gefunden. Das Ende eines Wildzaunes war nicht bündig abgeschnitten. Und ein Stück von dem was da so übrig war das reichte für uns. Stramm um den Steuerbock gelegt und verdrallt hielt diese Konstruktion bis zum Ende der Reise. Auf der anderen Seite wurde noch eine Stufe hereingebogen. Da es in Wald und Flur keine Kasse gibt haben wir dieses Stückchen Draht, ich weiß nicht wie ich es milde und doch verständlich ausdrücken soll. Ich nenne es einfach mal „weg geborgt“. Trotzdem einen Dank an den unbekannten Spender. Er hat uns mit seiner Gabe mehr als geholfen.

So, nach ca. 20 Minuten wieder rudern könnend setzten wir die Fahrt fort. Alsbald wurde die Schleuse Steinhavel erreicht. Die Schleusung mit Wartezeit dauerte auch nur 15 Minuten. Dann Fürstenberg mit der Schleuse 11:35 – 12:20 Uhr. Die Wartezeit an den Schleusen überbrückten wir mit dem Füttern von Enten und Fischen, denn aus dem Boot kamen wir nicht heraus

Vier Fotos von verschiedenen Schleusen. Einige dieser Schleusen haben schon eine Selbstbedienung. Die Bedienung eines Hebels vom Boot aus und man ist im Programm integriert. Eine Anzeige und rot grüne Ampeln signalisieren die Einfahrt oder das Warten. Bei Schleusen ohne Selbstbedienung ertönt dann manchmal auch eine Stimme aus einem Lautsprecher mit den Worten „ Die Sportboote bitte einfahren“. In der Schleusenkammer wird dann die Vorderleine um einen Poller gelegt und diese bei sinkendem Wasserstand nachgelassen. Ist man im Bereich einer Leiter oder Griffstange dann kann man sich daran auch festhalten. Ein Brückenpfeiler in Fürstenberg war vollends voll von Graffiti. Nur das hier wirkliche Könner am Werk waren. Eine Ansicht der Stadt vom Wasser aus und auch noch gefällig für das neugierige Auge. Graffiti, es geht eben auch anders. Nach dem Baalen- und Schwedtsee geht die Seenlandschaft der Havel wieder in einen Fluß über. Eine sandige Stelle am Ufer, für uns ausreichend um anzulanden und Mittag zu machen.

Noch frei von irgendwelchen Sorgen am Mittagsrastplatz, aber das sollte sich in den nächsten Momenten ändern. Denn bei mir in der rechten Gesäßtasche da fehlte etwas. Die Brieftasche mit den für diese Fahrt wichtigsten Dokumenten. Alles suchen half nichts, geholfen hat erst einmal nur das Handy für die Kartensperre. Auch später tauchte sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht wieder auf. Mittag gab es aber trotzdem. Das währe auch noch schöner. Kein Geld mehr und auch noch hungrig. Auf dem Kocher dampfte das Wasser für den Cappuccino. Die Süße in dem Getränk unterdrückt den Hunger und auf reinen Kaffee haben wir verzichtet, denn der will nur all zu schnell  wieder heraus. Dazu eine dicke Scheibe Brot und ein Stück Wurst oder Käse. Und der Vitamine wegen, ein halbes Glas marinierten Knoblauch. Die andere Hälfte gab es zum warmen Abendessen. Und das täglich. Die 25 Minuten Mittagspause mußten reichen, denn der Wetterbericht sagte für diesen Tag noch Regen voraus. Noch aber schien die Sonne. Von der Havel gelangt man auf den Stolpsee. Die Wasserwanderkarte beschreibt diesen See mit den Worten „Vorsicht bei stärkerem Wind“. Obwohl wir vom Wind im bisher nicht viel gespürt hatten, sorgte dieser doch schon für Wellen auf dem See. Diese ließen den Motor zwar noch kein Wasser schlucken, verwandelten das Boot aber in einen äußerlichen Zustand, der den Eindruck erweckte wir kommen von einer Altkleidersammlung. Die Persenning war durch die Verlängerung an den Motorhalterungen schon wesentlich dichter, aber noch nicht ganz. Zwei Lappen mußten an den beiden Stellen aushelfen. Was von diesem alten T Shirt übrigblieb sog sich im Durchhang der Persenning mit überspritzendem Wasser voll und brauchten von Zeit zu Zeit nur ausgewrungen werden. Später wurden aber diese Wischlappen schon wegen der Ästhetik durch Schwämme ersetzt. Die Einfahrten von den Seen in den Havelverlauf sind durch weiße Rauten gekennzeichnet. Eigentlich leicht zu finden, aber die im Stolpsee ist doch etwas versteckt. Ralf navigierte mit einlaminierten Kopien aus dem Wasserwanderatlas die vor ihm durch ein Gummiband gehalten wurden und mit dem Fernglas. Ein Kompaß war aber auch noch auf der Masthalterung des Bootes befestigt. Erst nach fast der gesamten Querung des Sees in Längsrichtung war die gesuchte Einfahrt in die Havel in einer Bucht sichtbar. Was nun folgte war der ursprüngliche Havelverlauf. Der Fluß mäandert bis Burgwall oft und in diesen Bögen gibt es große Schilfgebiete mit Seerosen in allen Farben und viel Getier über und unter Wasser.  Aber erst einmal kamen uns einige größere Kajütboote entgegen, denen wir etwas ausweichen mußten. Der Motor schluckte durch die von ihnen erzeugten Wellen etwas Wasser, aber das kennt er ja. Da wir auf Grund der vielen Naturschönheiten etwas langsamer fuhren, überholten uns vier größere der oben genannten Boote. Eines davon war die Grizzli die nach Hamburg wollte. Ehemals ein kleinerer Schlepper mit einem langsam laufenden Dieselmotor, der mit diesem so angenehmen sonoren Ton aus dem Auspuff gemütlich durch die Gegend blubberte. Gemütlich wie dieser Ton war aber auch der Kapitän. Nur machten diese Boote auch Wellen. Die erste Welle von jedem Boot warf unser Boot etwas nach rechts, die zweite Welle aber wieder nach links. Dagegen anzusteuern hatte aber wenig Sinn. Nach dem  vierten Boot und der letzten Welle wurde unser Ruder nach links gelegt und mit etwas mehr Gas geben gelangten wir in das Kielwasser, wo es auch wieder für uns ruhiger wurde.

Wieder im ruhigen Fahrwasser wurde ausprobiert ob wir auf der Havel auch die zulässige Höchstgeschwindigkeit der anderen Schiffe halten konnten. Aber das war ohne große Anstrengungen möglich. Schleuse Bredereiche 14:15 – 14:55 Uhr. Wir fuhren weiterhin hinter diesem Verband, waren aber dabei etwas bummelig wegen der Betrachtungen der vielen Naturschönheiten. Die vier Schiffe hatten schon einige hundert Meter Vorsprung und waren hinter den Flußbögen nicht mehr zu sehen. Ralf sagte das wir etwas schneller fahren müßten, wenn nicht die nächsten Schleusentore vor uns zugehen sollten. Nach einiger Zeit war der Vorsprung der anderen Boote aber wieder eingeholt. Schleuse Regow 15:30 – 15:50. Die Sonne verschwand und der Himmel begann sich zu bedecken. Die Regenjacken wurden hervor gekramt und übergezogen. Die Stulpen der Persenning waren mit einem seitlichen Klettverschluß zu schließen und über diese Stulpen wurden die Regenjacken gezogen. Der einsetzende Nieselregen paßte uns zwar nicht, aber so verpackt konnte dieser uns nichts anhaben. Linkerhand gelbe Warnschilder. Der Truppenübungsplatz Schorfheide. Nach den vielen Jahren der Stillegung wird immer noch vor Blindgängern und Munition gewarnt. Das aufziehende Gewitter machte uns zwar etwas Sorgen, doch wir streiften nur dessen Rand. Nicht aber diesen längeren ergiebigen Regenguß den es mit sich führte. Schleuse Zaarow  16:15 – 16:30 Uhr. Irgendwie hatten wir das Gefühl das auf dem letzten Stück die vier Kajütboote sich etwas mehr Zeit gelassen hatten. 17:00 – 17:15 Uhr Schleuse Schorfheide. Der Regen hatte nachgelassen und wir bekamen unsere Köpfe wieder aus den Schultern. Eine Ringelnatter hatte sich in die Schleuse verirrt und schwamm aufgeregt umher. Sie würde schon wieder heraus finden. Ralf sagte in Burgwall machen wir für heute Schluß. Ein Vermerk über eine Gaststätte mit Zeltplatz im Wasserwanderatlas versprach auch einen Anleger für unser Boot. Unterwegs dahin konnte ich noch einen größeren Zander sehen. Bei der Jagd nach Beute drehte er sich an der Wasseroberfläche und seine Flanke war deutlich zu erkennen. Den jetzt an der Angel haben, daß war mein erster Gedanke. Beim zweiten Gedanken lag er schon als Filet auf dem Teller. Auch spürte ich schon den Geschmack des noch warmen Fischfleisches frisch aus dem Räucherofen, mild gesalzen, da vorher in einer Lake liegend auf meiner Zunge. Kurzum, ich hatte schlagartig diesen körperlichen Zustand erreicht in dem ich freiwillig in Burgwall angehalten hätte. Bei strahlendem Sonnenschein wurde Burgwall dann um ca. 18:00 erreicht. Die Grizzli aus Hamburg hatte noch einige Rudermanöver durchzuführen, denn Bugstrahlruder wie sie moderne Kajütboote besitzen die hatte sie nicht. Damit hätte sie aber auch etwas von ihrem Charme eingebüßt. Allein schon das Mahlen ihrer Getriebezahnräder, verbunden mit den blubbernden Auspuffgeräuschen hatte doch etwas sehr altertümliches an sich. Kaum hatten wir angelegt, da kam auch schon jemand angelaufen und äußerte sich ganz und gar aufgeregt in unverkennbar sächsischem Dialekt. „Ein MAFF, ein MAFF,  den Geräuschen nach kann das nur ein MAFF sein“. Ebenso wie der Name MAW in dieser Gegend ausgesprochen wird. Uwe Thürbach aus Weinböhla war mit einem Freund in einem Kajütboot unterwegs. Er konnte sich so gar nicht recht einkriegen. Die aufkommenden Fragen waren schnell beantwortet. Dann hieß es aber Zelt aufbauen und anmelden.

Fest vertäut mit den zugebundenen Stulpen der Persenning liegt unser Boot am Anlieger. Etwas links davon steht ein Elektrant. So heißen diese Dinger. Jede der Steckdosen hat einen Starterknopf. Nach dem Einwurf von Geldstücken den Knopf gedrückt und man hatte seinen Strom. Für unsere Handys fanden wir unterwegs aber viel preiswertere Steckdosen.

Duschmöglichkeiten waren auch vorhanden. Erst mal ab durch die Waschstraße. Ralf sagte heute essen wir ohne zu kochen. „Wieviel Geld hast Du denn dabei?“ fragte ich ihn. Nicht allzu viel, aber es wird reichen. Und somit verwandelte sich mein gedankliches Zanderfilet in Sülze mit Bratkartoffeln, während Ralf ein Bauernfrühstück verdrückte. Für Ralf gab es ein dunkles und für mich ein Weißbier. Dann ging es in die Schlafsäcke. Alles dafür Verwendbare legte ich aber ab dieser Nacht am Kopfende unter die Isomatte um entspannter zu schlafen. Ralf braucht so etwas nicht. Ich glaube, wenn er auf dem Kopf steht dann schläft er auch so. Vor dem Einschlafen lief dieser Tag bei mir noch einmal ab wie ein Film. Die zurückgelegte Strecke betrug an diesem Tage ca. 57 Km.

 

3.Tag Dienstag 26.06.2007

Der morgendliche Regenschauer, verbunden mit dem Gedanken daran die Sachen bei Nässe zu verpacken ließ jeglichen weiteren Schlaf vergessen. Aber es war doch nur ein Schauer. Noch keine sieben Uhr und die Augen blieben auf. Ralf wurde an diesem Tage etwas später wach und hatte noch die Gehörstöpsel in den Ohren. Auf meine Frage ob er immer mit diesen Dingern schläft, bekam ich in etwa folgende Worte zu hören. „Das mit dem Weißbier trinken, daß solltest Du dieser Tage besser sein lassen, denn nach dem Zeugs findest Du die dicksten Bäume und dazu auch noch die größte Säge.“ Also, ich habe nicht geschnarcht. Der nun folgende Weg zu den Sanitärräumen erwies sich als umsonst. Die Gaststätte war noch zu und somit auch die Türen zu den Wasserhähnen. Einige Bootsbesatzungen, sie schienen auch das erste mal hier zu sein kamen jetzt auch wieder auf dem Pfade der Realität unverrichteter Dinge zurück. Erst mal frühstücken und die Sachen packen.

Zum Frühstück Weißbrot, Butter, und ein schokoladiges  Aufstrichmittel. Das Zeugs gibt Energie und schmeckt auch noch. Kaffee frisch und türkisch gebrüht. Ausreichend. Beim Verpacken der Sachen half ein Bein immer nach um ja keinen Stauraum zu vergeuden. Bei dem Verstau der Sachen im Boot hatte ich aber eine geniale Idee. „Gib mir doch mal so einen kleinen Rollsack, der paßt ganz hinten in die Bootsspitze und Du hast vorn etwas mehr Beinfreiheit“. Dieser Rollsack wurde mit dem Paddel auch bis in die hintere Spitze des Bootes geschoben. Da Ralf über die, nun etwas größere Beinfreiheit sichtlich erbaut war, freute ich mich darüber das ich schon so früh am Morgen eine gute Tat vollbracht hatte. In der Zwischenzeit wurde ab und zu in Richtung der Gaststätte geschaut. Die Zeit die einige Leute zum Gang zu den Waschräumen und zurück brauchten war zum Waschen unsere Meinung nach immer noch zu kurz. Eine Hand voll Mineralwasser ins Gesicht und die Zähne mit diesem mit Kohlensäure versetzen Wasser geputzt. Ein prickelndes Ereignis schlechthin. Als wir im Boot saßen rasselten auch die Rolläden der Gaststätte. Zu spät für uns, denn heute wollten wir es bis nach Berlin Spandau zum Paddelclub „Wiking“ schaffen. Auch der Hinweis von Uwe Thürbach, daß um neun Uhr ein Schiff mit einem Filmteam von RBB Antenne ZIBB in Burgwall ankommen würde konnte uns nicht aufhalten.

Um 08.05 Uhr wurde der Motor gestartet. Mit der nun zu scheinen beginnenden Sonne fuhren wir guter Dinge in Richtung Berlin. Unmittelbar nach Burgwall beginnt ein Gebiet mit vielen Ziegeleiteichen und Ziegeleien, von denen bis auf die auf dem Gebiet des Ziegeleiparks einige noch als Ruinen ihr Dasein fristen. Einige Impressionen bis Zehdenik haben wir auf Fotos festgehalten.

Schleuse Zehdenik 09.00 – 09.20 Uhr. So viele Schleusungen wie am Vortag standen uns heute ja nicht bevor, so das Berlin als Tagesziel in greifbare Nähe rückte. Kurz hinter Zehdenik im Vosskanal passierte es dann. Der Motor fing an zu stottern, ließ sich aber durch das Zurücknehmen vom Gas abfangen. Beim Versuch wieder etwas mehr Gas zu geben stotterte er wieder und nahm auch ab einem gewissen Punkt kein Gas mehr an. Und so wurde in fehlerhafter Weise, ich hätte es wissen müssen und im Unterbewußtsein war der Gedanke aber auch da, die höchstmögliche Drehzahl eingestellt. Nach kurzer Zeit kam auch das was kommen mußte. Der Motor versagte gänzlich. Das notwendigste Bordwerkzeug lag in greifbarer Nähe vor meinem Sitz. Den Kerzenschlüssel wurde aus dem Einkaufsbeutel aus Leinen heraus gefingert und die Kerze heraus geschraubt. Weiß wie Schnee war das Kerzenbild, aber in der Kerze waren noch keine dieser Perlen zu sehen wie sie bei zu hohen Verbrennungstemperaturen entstehen.  Ralf fragte was ist. „Irgend etwas ist in der Düse. Reparieren über Wasser, lieber nicht“. Wir hatten zwar einige Ersatzteile mit, die sollten aber nicht irgendeinem Wassergott geopfert werden. Zudem lagen diese, aber auch der 12er Maulschlüssel gut verpackt in einer Gasmaskentasche von der Bundeswehr. Diese gab es bei einem Resteverramscher für 3 Euro in Salzwedel. Wegen der verschweißten Nähte eignete sie sich gut für die Ersatzteile und den Instrumenten zum Einstellen der Zündung. Nur lag diese Tasche im Beinbereich von Ralf eingeklemmt und er hätte aussteigen müssen um an sie heran zu kommen. Und darin lag das Problem. Denn wenn es ein Herr Voss war der diesen Kanal gebaut hat, dann konnte er zur damaligen Zeit auch nicht im Geringsten erahnen, daß viele Jahrzehnte später ein zum Teil defekter Hühnerschreckmotor an einem Faltboot mit einer empfindlichen Haut gegenüber den großen und spitzen Schottersteinen am Ufer seines Kanals umher dümpelt. Anlegen war unmöglich, was sich auch in dem energischen Kopfschütteln von Ralf widerspiegelte. Ralfs Frage „Und was nun?“ folgte auf dem Fuße. Ich hatte ja keine Ahnung wie lang dieser Kanal ist, Aber Ralf schon, denn er hatte die Karten vor sich. „Wir fahren mit der Drehzahl, die etwas über der des Standgases liegt. In diesem Bereich müßte das Gemisch noch fett genug zur Schmierung und zur Kühlung sein.“ Diese Worte ließen auch die Sorgenfalten auf Ralfs Gesicht hinsichtlich einer langen Paddelstrecke mit diesem schwerfälligen Boot weniger werden. „Sieh Du mal nach einer sandigen Stelle um anzulanden, daß hier hinten das mach ich schon.“ Worte die bei schon wieder laufendem Motor nach vorn gerufen wurden. Der Motor lief auch durch, nur eine sandige Stelle am Ufer die gab es nicht. Schleichfahrt auf dem Vosskanal. Einige Radfahrer auf dem am Kanal entlang führenden Radweg brachten ab und an etwas Abwechslung. Schleuse Bischofswerda 10:55 Uhr. Die Grizzli und ein weiteres Boot das auch nach Hamburg wollte trafen kurz vor der Schleusung in Bischofswerda ein. „Weiter seid ich noch nicht, ihr seid doch schon lange vor uns abgefahren. In Burgwall war so früh noch nichts auf“, rief uns der Gemütsmensch von der Grizzli herüber. „Vergaserprobleme, wir suchen eine sandige Stelle im Kanal. Die Zähne haben wir uns in Burgwall mit Selters geputzt.“ „Hättet ihr Wodka genommen, der schäumt nicht so.“ Eine abwinkende Handbewegung von uns. Eben diese so üblichen kurzatmigen Worte auf so einer Fahrt, in denen aber so viele Informationen sind,  die ein Politiker auch in drei Stunden reden nicht wiedergeben könnte. Der Gedanke an Wodka sorgte bei mir aber für die üblichen Falten im Gaumen in Bezug auf für mich nicht genießbare Lebensmittel. Kräuterlikör, der würde ja gehen. Aber dieser währe auch erst ab dem zweiten Mundhöhlenspülgang verwertbar. Also nichts als die pure Verschwendung. Dann doch besser sprudelndes Wasser. Um 11:35 Uhr öffneten sich die Schleusentore in Bischofswerda. „Das mit dem Motor, daß kriegt ihr schon wieder hin, verrückt genug seid ihr beiden ja auch“ und aus dem Auspuff der Grizzli erklang wieder dieses so angenehme und sonore Blubbern. Weiter in Schleichfahrt verbunden mit der Suche nach einem Landeplatz für uns. Fehlanzeige. Kurz vor Liebenwalde macht der Kanal einen Knick nach links an dem er sich auch verzweigt. Eine kleine Insel an dessen Spitze ein Angler stand und am rechten Ufer etwas Sand im Schotter. Eine Angelstelle. Über die Jahre hat der Regen diese Uferstelle an der es kein Gras mehr gab etwas versanden lassen. Vorsichtig mit dem Paddel den Untergrund abtastend konnten wir anlanden. Es war auch schon Mittagszeit. Ralf kochte und ich reparierte. Wie vermutet, die Düse des Vergasers hatte sich teilweise zugesetzt. Während unserer Malzeit fuhr auch das Schiff von RBB Antenne vorbei und alsbald setzten auch wir unsere Fahrt fort, froh über den wieder wie gewohnt laufenden Motor. Dieser sah das aber ganz anders und fing nach etwa dreihundert Metern wieder an in gewohnter Manier zu bocken. Wieder nur Schotter an den Rändern des Kanals. Ralf zeigte auf die Karte mit dem Vosskanal und dem sich daran anschließenden Oder-Havel Kanal. Eine kreisende Hand von ihm, verbunden mit seinem fragenden Gesicht signalisierte umkehren und reparieren oder nicht. Ich hatte keine Lust dazu. Der eigene Vorwurf, du Dussel du hättest auch das Schwimmergehäuse abbauen können Zeit war genug, beschäftigte mich doch etwas. Auf dem Fahrradweg mit dem Hühnerschreck, kein Problem wieder anzuhalten. Aber hier? Hinter einer Brücke in Liebenwalde hatte am linken Ufer das RBB Schiff festgemacht. Den ausgestreckten linken Arm von Ralf nahm ich nur unterschwellig war. Ich war wohl noch in Gedanken. Am linken Ufer hinter diesem Schiff, zwei Rohre verliefen parallel ins Wasser. Eine alte behelfsmäßige Rampe um Boote in den Kanal zu lassen. Und zwischen diesen Rohren lag wirklich, richtiger gelber Kies. Eine Wende auf dem Kanal, anlanden und das Versäumte am Vergaser nachholen. Im Benzinfilter waren einige schwarze Flocken zu sehen. Unzählige kleinere dieser Flocken waren auch im Schwimmergehäuse des Vergasers zu finden. Ein Kameramann vom RBB hielt die Kamera einige Momente auf den Motor der im Gras lag, konnte mit diesem aber scheinbar nichts anfangen. Fragen gab es von ihm keine und wir wollten ja auch weiter.“ Nicht das wir in Eile waren, aber 13 Km Schleichfahrt auf dem Vosskanal sind wirklich nicht aufbauend. Jedenfalls lief jetzt wieder der Motor wie gewohnt. 13:20 – 13:50 Schleuse Liebenwalde. Kurz danach fuhren wir auf den Oder–Havel Kanal. Während wir auf dem Vosskanal relativ gut gegen den Wind geschützt waren, hatten wir diesen jetzt von vorn. Der Pegel im Tank sank dementsprechend auch schneller. Dieser Kanal ist auch der Berufsschiffahrt dienlich und somit gab es auch etwas mehr Abwechslung für uns. Wir konnten sogar einen kleineren Schubverband überholen. Den Blick weit voraus gerichtet, denn dieser Überholvorgang dauerte doch recht lange. Die von nun an höhere Geschwindigkeit behielten wir auch bei, zumindest bis zu einer ganz kleinen Personenfähre die uns scheinbar übersehen hatte. Reste eines alten Brückenbauwerkes erregten unsere Aufmerksamkeit, verbunden mit Gedanken in eine weit zurück liegende Zeit.

Um 15:05 erreichten wir die Schleuse Lehnitz. Die Schleusung hier ist für Sportboote nur mit der Berufsschiffahrt möglich. Der Anleger für die Sportboote war schon voll und auch in mehreren Reihen belegt. Die Grizzli und ihr Begleitschiff lagen ganz weit vorn. Wir hielten uns längs an einem kleinen Motorboot und hatten somit auch jemanden zum Reden. Sechs Stunden kann man hier auch warten, so die Worte von unserem Nachbarn. So kann man also Bootsfahrern die nicht von ihren harten Sitzen hoch können den Mut nehmen. Eine Packung Kekse und eine Flasche Wasser wurden unter der Persenning hervor gezogen. Kaffeezeit ohne dieses Getränk. Ein Polizeischiff kam, daß RBB Schiff kam und viele weitere Schiffe auch noch. Im freien Wasser der Havel schwimmend warteten auch sie auf die Schleusung. Ein Lastkahn wurde geschleust aber kein einziges Sportboot mit ihm. Der kleine Schubverband, den wir überholt hatten der kam auch gleich dran. Unverständlich für uns alle. Vielleicht ein Beamter an den Schleusenschaltern? Irgendwann ertönte aus einem Megaphon vom RBB Schiff der Satz „Bei der nächsten Schleusung sind alle Sportboote dran“. „Ja, ja und während wir dann noch beim Losmachen sind, drängeln sich die anderen vor und wir können dann noch mal warten“. Worte von den Booten vor uns. Vordrängeln? Nach geraumer Zeit endlich bemerkte ich das die vorderen Boote am Anlieger ihre Leinen lösten. Ralf, der gerade in ein Gespräch mit unserem Nachbarn vertieft war bekam einen leichten Schlag auf die Schulter verbunden mit dem Wort, los. Ein tschüs zu unserem Nachbarn, unser Motor lief bereits. Mit Vollgas waren wir auch schnell zwischen den Booten im freien Wasser. Entweder waren es an diesem Tage alles anständige Leute auf diesen Booten, oder sie waren noch immer irritiert von dem was da so zwischen ihnen laut knatternd umher quirlte. Nach kurzer Zeit waren vor uns nur das RBB und das Polizeischiff. Platz drei also wenn man sich beeilt. Es geht doch. In der großen Schleusenkammer lag vorn rechts das Polizeischiff und links das RBB Schiff. Hinter diesem hatten wir gerade festgemacht, als eine Frauenstimme vom Polizeischiff zu hören war. „Das Faltboot bitte hier bei uns anlegen“. Wir gehorchten auch, und bekamen dafür sogar eine Leine gereicht.

Es folgte ein small Talk, so heißt das wohl heutzutage. Die Schleusentore öffneten sich und wir fuhren um 16:55 Uhr aus der Schleuse Lehnitz endlich aus. Die Kamera vom RBB  war einige Zeit auf uns gerichtet und im Vorfeld wurde den Leuten auf dem RBB Schiff noch die Worte vom www und huehnerschreck zugerufen. Neben den Toren von der Schleuse öffneten sich auch die Schleusentore von Petrus und der tägliche Regen am Nachmittag setzte ein. An der Brücke hinter der Schleuse überholten uns dann alle Schiffe. Die Polizei hatte es sehr eilig, der RBB hatte es sehr eilig und die anderen auch. Und mit ihren Wellen, mit denen mußten wir eben sehen wie wir fertig wurden. Wir verdrückten uns nach rechts auf den Lehnitzsee um dann die Wellen von den uns überholenden Schiffen in einem für uns günstigeren Winkel zu schneiden. Eine Stunde und fünfzig Minuten Lehnitzschleuse. Ich werde dort, an der Schleuse von Lehnitz nicht mehr lang fahren. Und Ralf, der muß dann eben auf seiner Karte nach einem anderen Weg sehen. Seinen Kompass, den kann er dazu meinetwegen ja auch noch befragen. Außer es hängt doch noch irgendwo ein großes Plakat auf dem steht, daß der Schleusenbeamte von Lehnitz seinen wohlverdienten „RUHESTAND“ angetreten hat. Denn scheinbar hat er die Zeit mehr als gründlich verschlafen und klebt zu hause noch die Konsummarken (Rabattmarken in der ex DDR) in das dafür vorgesehene Heftchen ein. Ab Lehnitz – Oranienburg waren wir wieder im Kanal und die ersten Angler saßen am Ufer. Ralf sollte nach Posen sehen und nach schräg in das Wasser gehenden Angelschnüren. An der ersten Pose die er fand, hing an der einen Seite kein Haken und auf der anderen Seite aber auch kein Angler mehr dran. Eine Pose von einer Pfauenfeder, sauber in Heimarbeit mit Posenringen hergestellt. Da diese Art von Posen gut tragen verschwand sie unter Deck um später in meiner Angelausrüstung zu landen. Während Ralf jeden Angler signalisierte, sah ich mich dann um ob dieser nicht doch diese wilden für einen Angler untypischen Bewegungen machte. Nur für den Fall das der Hühnerschreck ihm mit der Schraube die Sehne von der Rolle wickelte. Kein Angler aber wurde durch uns den Glauben versetzt einen wirklich dicken Fisch fangen zu können. Kurze Zeit nach dem Posenfund passierte es dann aber. Beim Ausweichen eines Anglers sah ich ein Ruderboot. Einer saß in diesem Boot und der andere versuchte den Motor anzureißen. Als unser Ausweichmanöver beendet war konnte ich jetzt sehen, daß dieses Boot auch unten dunkelgrün gestrichen war. Denn das Boot lag jetzt kopfüber im Wasser. Ein Menschenkopf war auch schon wieder über Wasser, der andere brauchte aber etwas mehr Zeit dazu. In diesem Moment ging unser Motor aus. Die Frage ob sie Hilfe brauchen wurde mit einem sich eigenartig, prustend aber auch röchelnd anhörenden „Nööee“ beantwortet. Die Nuß vom Kerzenschlüssel und der Knebel dazu wurden aus dem Bootsinneren geholt und die Zündkerze gelöst. Nur mit der Nuß wurde diese gänzlich aus dem Gewinde des Zylinderkopfes gedreht und Ralf schaute dabei zu. Auch vermutend das es sich nur um eine Überbrückung der Elektroden handeln könnte. Nun, es gibt aber auch verschiedene Geräusche die an der Wasseroberfläche erzeugt werden können. Das eine kommt von den Fischen und ist so ein Platschen, das andere z.B. wenn Enten landen um nur einige zu nennen. Und ein ganz anderes, das ist so ein leises Plumpsen. Das aber war unser erzeugtes Geräusch an der Wasseroberfläche. Kaum zu hören, aber es war doch da. Meine Hände waren vom Regen naß und der Chrom der Nuß der war glatt. Zwei Augenpaare sahen sich, daß Ganze nicht glauben könnend an und diese Augen wurden riesengroß. Zwei Gesichter mit diesen noch immer großen Augen wendeten sich der Wasseroberfläche zu und versuchten etwas silbriges auf dem Grund zu sehen. Aber sie sahen nichts. Als diese Augen sich wieder ansahen hatten sie auch noch nichts von ihrer Größe verloren. Meine Schulter hob sich entschuldigend und von Ralfs Seite kam die Frage „Und was nun?“ Aus dem Bordwerkzeug vor mir holte ich dann eine Zündkerze und eine Wasserpumpenzange. Die Kerze wurde vorsichtig hinein gedreht und mit der Zange, die mit der rechten Hand zusätzlich gehalten wurde die Zündkerze fest gezogen. Bloß dieses Werkzeug nicht auch noch opfern. In der Zeit des Reparierens vernahm man auch weitere Geräusche von den beiden Schiffbrüchigen. Wie man hörte waren sie auch vollkommen der heimischen Sprache mächtig. Auch nicht zu überhören war, daß sie wohl etwas zuviel vom Bier oder auch von andern wohlschmeckenden lukullischen Getränken eingenommen hatten. Wir jedenfalls konnten wieder weiter fahren. Der Wind und der Regen nahmen etwas zu, aber es wurde auch merklich kühler. Unter der Persenning  wirkte das warme Wasser der Havel zwar wie eine Zentralheizung, aber darüber wurde es doch immer ungemütlicher. So allmählich verlor dieser Tag doch seinen Reiz. Die Verladeanlagen des Henningsdorfer Stahlwerkes betrachteten wir nur noch mit eingezogenen Schultern. Und der Kanuclub Wiking in Berlin, von dem waren wir auch noch ein gutes Stück entfernt. In Henningsdorf rechter Hand, eine Rampe, eine offene Hallentür und ein Fahrrad. Um 19:00 Uhr wurde beim dortigen Ruderclub der Motor abgestellt. Wir hatten auch genug. Vier ältere Mitglieder des Ruderclubs sagten uns das wir keinen Schlüssel bekommen könnten, aber Zelten geht. Duschen geht auch, aber die Warmwasseranlage wird gerade repariert. Na prima. Das Zelt stand in dieser Nacht unter einem Schleppdach und die Sachen konnten im Winde luftig hängend vollends austrocknen. In dieser Hinsicht hätte uns gar nichts Besseres passieren können. Der Boden unter diesem Schleppdach war noch mit Betonplatten aus DDR Zeiten ausgelegt, so das in den Ritzen zwischen den Platten auch die Heringe eingeschlagen werden konnten.

Nun gab es aber noch meine gute Tat vom Morgen in Burgwall. Ralf sagte, „Wir brauchen noch den kleinen Rollsack mit der Verpflegung“. Ich wußte ja wo er lag. Ganz hinten in der Bootsspitze. Aber kein Arm auf dieser Welt ist lang genug um einen kleinen Rollsack der mit einem Paddel bis in die hinterste Bootsspitze geschoben wurde dort auch wieder heraus zu holen. Mit dem Paddel geht das aber auch nicht. Denn es gibt ja noch die Spannten, die einen solchen Sack auch nicht gern wieder heraus rücken wollen. Ralfs Grinsen, verbunden mit seinen gehobenen Schultern bedeuten nichts anderes als „Mach Du das mal, es ist ja auch dein Stauraum“. So ist das also mit meinen Ideen. Wie ein Schlangenmensch mit den Füßen in Richtung Bug gelangt man aber doch an die Verpflegung. Meine guten Taten die muß ich mir wohl doch besser überlegen. Als erstes war das eine noch verbliebene Pack von unseren eingeschweißten Bratwürsten zu fühlen. Unweigerlich waren meine Gedanken bei den echten Thüringer Würsten in Wesenberg. Viele Wünsche gehen ja auch in Erfüllung. Aber dieser nicht. Denn Bratwürste, die können sich nicht verwandeln. Die machen das einfach nicht. Aber als unsere Würste in der Pfanne langsam goldgelb wurden, da waren die Thüringer schon wieder vergessen. Das tägliche Pulleken Rotwein wurde noch geleert. Pudding in welcher Form auch immer gehört ja nun einmal auch zu einem guten Essen. Die Berliner S-Bahn war zu sehen wie auch Flugzeuge die vom Berliner Flughafen Tegel starteten. Und aus unserem kleinen Radio erklang die Stimme einer Sprecherin eines Berliner Senders mit den Nachrichten. Neben dem allgemeinen Teil sprach sie noch davon, daß Jugendliche in der U-Bahn eine Reizgasattacke ausgeführt haben. Der Wetterbericht für den nächsten Tag. Teilweise Wolken und etwas Regen, der Wind zunehmend und in länger anhaltenden Böen stürmisch. 57 Kilometer an diesem Tag und Schietwetter, wir waren müde.

 

4.Tag Mittwoch 27.06.2007

Dass der Wetterbericht wieder einmal Recht hatte, davon war schon in der Nacht etwas zu hören. Der Wind rauschte kräftig in den Pappeln am Ruderclub Henningsdorf und für uns fremde Geräusche waren von irgendwelchen zusammenschlagenden Gegenständen unter dem Schleppdach zu hören. Wir schliefen an diesem Tag auch etwas länger. Der Himmel war mit Wolken verhangen und nur einige blaue Flecken zwischen den Wolken ließen uns auf besseres Wetter hoffen. Ralf machte sich auf die Socken um etwas einzukaufen, während ich die Ausrüstung im Boot verstaute. Um 10:00 Uhr ließen wir noch einen Schubverband vorbei und machten uns auf den Weg nach Berlin. Brandenburg sollte an diesem Abend erreicht werden. Bei Heiligensee blies uns dann ein frischer Wind ins Gesicht. Die Regenjacken hatten wir aber schon im Vorfeld angezogen und uns wasserdicht verpackt. Ralf mußte sich um das vordere Spritzwasser kümmern, machte aber doch noch eine Aufnahme um zu dokumentieren wie es ihm dabei da vorn so geht.

Aber wenn man aber einen so großen Kapitän vor sich hat, dann geht es einem selber da hinten so richtig gut. Alsbald hatten wir unter den Spandauer Brücken hindurch auch die Schleuse in Berlin Spandau rechts von der Zitadelle erreicht. 11:30 – 12:05 Uhr. Die Sonne fing an kräftig zu scheinen, so das wir die Regenjacken öffneten. Vor uns in der Schleuse schwamm eines von diesen großen Berliner Ausflugsschiffen. Zwei Auspuffrohre, und somit auch zwei Schiffsschrauben. Die Schleusentore öffneten sich und diese zwei Schrauben fingen an sich zu drehen um ihre Arbeit zu verrichten. Ralf hatte schon das Paddel in der Hand, aber mit zwei flinken Füßen am Ruderbalken fuhren wir trotz der erzeugten Strömungen von diesem Schiff doch noch mit Motorkraft aus der Schleuse. Zwar mehr als dicht an der linken Schleusenwand entlang, aber ohne uns mit dem Paddel abstoßen zu müssen.

Wir verhalfen diesem Schiff dann zu etwas Vorsprung und uns somit zu mehr Ruhe auf dem Wasser. Die Havel wird hinter Spandau und den Hafenbecken wieder zu einem Fluß und die Sonne schien immer noch. An der Straßenbrücke der A5 in Berlin Spandau liegt der Paddelclub „Wiking“, unser eigentliches Ziel vom Vortage. Ein Blick dorthin verbunden mit dem Gedanken an den geplanten abendlichen Landgang den wir von dort aus machen wollten. Vergessen, denn der BH ist für die Brust und der Plan nun mal meistens für den A……rm oder so. So allmählich näherten wir uns dem „Wannsee“, dessen berühmtes Bad ich mir gern einmal von der Seeseite angesehen hätte. Aber erst einmal weitet sich die Havel zu einem See auf. Das erste was ich schon von weitem von diesem „See“ sah waren Wellen mit weißen Kronen die sich brachen. Es ist an diesem Punkt eigentlich noch die Havel, die ab hier auf einer Strecke von etwa 17 Kilometern mehr als breit ist. Ich nenne diesen „See“ der besseren Übersicht wegen einfach mal so. Der Wannsee selbst liegt weiter links. Einen Tag in Spandau verbringen, daß währe auch nicht schlecht. Aus dem Gedanken wurde aber nichts. Angekommen an der Mündung der Havel in diesen „See“ zeigte sich immer noch das gleiche Bild. Und Ralf, der zeigt doch wirklich mit der rechten Hand nach vorn. „Du spinnst“ rief ich so laut ich konnte nach vorne. „Fahr“ war das einzige Wort was er ausrief. Und schon wieder diese ausgestreckte Hand von ihm. Der spinnt wirklich. Die ersten Wellen ließen den Motor dampfen, die nachfolgenden nicht mehr. Die Wasserberge im Hamburger Hafen waren hoch und verhalfen dem Motor in zeitlich längeren Abständen zu verdampfendem „Kühlwasser“. Diese hier aber waren schätzungsweise fünfzig bis sechzig Zentimeter groß und kamen in kurzen Abständen, so das der Motor nichts mehr an Wasser verdampfen konnte. Blankes Wasser floß an den Kühlrippen durch das Axialgebläse hoch gepumpt vorbei. Eine ungeregelte Wasserkühlung, daß geht nicht gut. Das konnte ich mir aber erst später ansehen, denn erst einmal hatte ich andere Sorgen. Wohin fährst du, wenn du die Wellen im rechten Winkel schneidest und wie weit ist diese Strecke. Wie lange dauert es, wann geht der Motor aus. Was ist dann. Gedanken die mich nicht mehr los ließen. Denn an eine Umkehr war nicht mehr zu denken. Beim Wenden wären wir durch die dann längs kommenden Wellen unweigerlich umgekippt. Der Motor hörte sich beim Wasser nehmen auch noch so an, als ob die Drehzahl dabei kurzzeitig heruntergeht. Ralf hatte schon das Paddel in der Hand und ich die eine Paddelhälfte auch. Das erste mal. Abwechselnd die Auspuffgeräusche und dann wieder dieses gurgelnd röchelnde Geräusch vom Motor. Und immer wieder knattern und röcheln. Das geht nicht gut. Die Drehzahl, die muß etwas hoch. Vielleicht geht es damit doch gut. Ein Blick nach rechts verbunden mit dem Gedanken, wo kommst du schwimmend an. Weit weg ein Schilfgürtel und links davon in einer Bucht Boote. Schwimmend dahin fast quer zu den Wellen, vergiß es. Greif dir den kleinen Rollsack vor dir wenn es soweit ist. Gedanken die mich bewegten. Unten im Boot war auch schon mehr Wasser zu spüren als ich es bisher kannte. Die Persenning lag schwer vom Wasser auf meinen Knien. Geradeaus vor uns ein Haus, noch weit weg. Nicht viel Schilf am Ufer. Diese Richtung beibehalten. Nicht das ich Angst gehabt habe, aber wohl war mir nicht. Und immer wieder knattern und gurgeln vom Motor her. Und das hörte auch nicht auf. Etwa zwei Kilometer wurden auf der Karte gemessen waren es bis zu diesem Haus bei Gatow. Unendlich scheinende zwei Kilometer. Bis etwas über die Hälfte dieser Strecke immer wieder dieses Knattern und Röcheln von dem Motor der aus welchen Gründen auch immer noch lief. Für mich unverständlich, denn die Wellen reichten bis knapp unter den Vergaser. Dann endlich wurde es ruhiger. Eine sandige Stelle zwischen etwas Schilf bot einen Landeplatz für uns. Unsere Sachen waren mehr als naß. Um 13:00 Uhr hatten wir diese Stelle erreicht. Das Boot wurde zum Teil entladen um das Wasser heraus zu bekommen. In der Seitenlage liegend bedingt durch die Last des Motors wurde an der tiefsten Stelle im Boot ca. acht Zentimeter Wasser gemessen. Während bisher ein Schwamm zu Entwässerung reichte, nahm Ralf jetzt das Ösfaß. So heißt dieser Schöpfbecher um das Wasser heraus zu bekommen.

Die Sachen hingen über Sträuchern zu Trocknen, aber einige Regenschauer führten dazu das wir sie hastig umherspringend wie die Karnickel immer wieder unter die Bäume bringen mußten. Erst einmal Mittag machen. „Mit dem Kajak das pure Vergnügen, aber bei einem Motorausfall währe es mit diesem Boot mehr als Arbeit gewesen“, sagte Ralf. „Ja“ sagte ich zu ihm. „Aber die Zeit in diesen Wellen währe dann auch viel länger gewesen und der Wasserstand im Boot somit auch wesentlich höher“ Einige Momente sprach keiner von uns ein Wort. Denn eigentlich war es purer Leichtsinn. Vielleicht war es aber auch das innere Gefühl nicht warten zu wollen was uns antrieb. Hätten wir aber eine dreiviertel Stunde gewartet, dann währen wir auch ohne große Schwierigkeiten über diesen „See“ gekommen. Wir sind aber auch heute noch der Meinung, daß wenn es noch einmal solche Wellen für uns gibt, dann kann man sie mit dem Hühnerschreck auch ohne Bedenken nehmen. Aber nicht mehr auf solch einer langen Strecke wie auf dieser. Für uns nicht mehr. Und dabei bleiben wir auch. Eine Stunde etwa haben wir Mittag gemacht und dann ging es weiter. Immer dicht unter Land, denn von Wellen hatten wir erst einmal genug. Zwei mal mußten wir noch kurz anlanden und im Boot sitzend warten, denn der Wind frischte immer wieder kräftig auf. Beim dritten mal, an einer Landspitze vor Kladow saßen wir dann richtig fest. Denn der Wind ließ diesmal nicht nach.

Wellen wie bei der Überfahrt hielten uns hier etwa zweieinhalb Stunden fest. An eine Weiterfahrt war einfach nicht zu denken. In der Sonne wurden unsere Sachen erst einmal richtig getrocknet. Warten und nochmals warten. Ein Privatgrundstück mit einigen Kajaks in einer Art Regal gelagert und ein Steg mit einigen Booten irgendwo am äußersten Ortsrand von Kladow. „Wenn es nicht anders geht, dann müssen wir hier übernachten“, sagte ich zu Ralf. Er war davon auch nicht sonderlich begeistert. Aber was hilft es. Das Gelände war zum See hin abschüssig, so das erst einmal eine Stelle für das Zelt gefunden werden mußte an der man nicht allzu schräg schlief. Abends nimmt der Wind in der Regel etwas ab. Unsere einzige Hoffnung. Auf dem See waren außer einigen größeren Kajütbooten, Ausflugsdampfern und Schubeinheiten keine weiteren Schiffe zu sehen. Ein Haubentaucher vor uns im Wasser fing ab und zu einen der wirklich kleinen Fische und war nach einiger Zeit aber auch gänzlich verschwunden. Dann legte sich der Wind aber doch etwas und wir konnten starten. Ein zufälliger Blick von mir auf den Motor ließ mir aber doch die Nackenhaare hoch stehen. An der Motortraverse war ein großer Anriß zu sehen. Und dieser Riß arbeitete schon bei der geringsten Belastung

 

Ralf fragte „Und was jetzt“? „Jetzt schreiben wir in unser Logbuch. Abbruch der Reise bedingt durch einen Anriß der Motortraverse“. Aus beiden Mündern erklang dieses Wort mit diesem fäkalischen Inhalt. Im ersten Moment wußte ich mir auch keinen Rat. Ich entsann mich aber von diesem Bootssteg einige Schiffe hinter der Landzunge gesehen zu haben. „Laß uns um die Landzunge fahren, vielleicht kommen wir so dichter an Kladow heran. Wenn wir nicht gleich jemanden mit einem Schweißgerät finden, dann suchen wir eben eine Wirtschaft. Ein Gastwirt der kennt seine Pappenheimer und vielleicht hat jemand von diesen ein solches Gerät.“ „Und wenn der Motor ins Wasser fällt“ fragte Ralf? „Ist nicht so schlimm, wenn er kalt ist dann kriegen wir ihn schon wieder hin“. Darauf hin wurde der Motor mit der Hand an den Punkt der beginnenden Kompression gedreht und danach ein kleines Stück zurück. Verbunden mit der Annahme das der Einströmkanal durch den Kolben dicht sei. Paddelnd erreichten wir um 17:00 Uhr einen Jachthafen von Kladow. Für die etwa sechseinhalb Kilometer von unserer Anlandung nach der Überquerung des Havel Sees bis Kladow haben wir mit der Mittagspause vier Stunden gebraucht. Eine Kindergruppe wollte mit ihren kleinen Segelbooten in Ufernähe fahren, aber ein kleiner Junge der weinte bitterlich. Er hatte furchtbare Angst vor den Wellen. In Ufernähe war das Wasser aber schon wieder glatt. Ich erzählte ihm das wir auch durch die Wellen gefahren sind und das unser Boot nicht mal so ein Segel hat wie seines. Er sah sich unser Boot an und fragte warum wir hier denn hier sind. Unser Motor ist kaputt, aber wenn wir hier das richtige Werkzeug finden dann bekommen wir ihn schon wieder heile. Die Tränen bei ihm ließen nach und das was dabei so aus der Nase läuft. Ich habe als kleiner Junge wohl auch den Handrücken genommen. Später sah ich ihn in seinem Boot so als sei gar nichts gewesen. Nun mußten wir aber jemanden finden der uns weiterhelfen konnte. Dem ersten Segler dem wir uns als Schiffbrüchige vorstellten und unser Problem schilderten sagte „Eine kleine Werkstatt haben wir, aber frag mal den da“. Derjenige, den er als den da bezeichnet hatte sagte was von „Komm mal mit“ und verwies Ralf auch gleich ins Haus der Anmeldung wegen. Ein Schweißgerät wurde auch gefunden und Elektroden, Schlackehammer und Schweißschirm waren auch da. Die Motortraverse wurde abgebaut und konnte geschweißt werden. Einen Overall habe ich mir aber doch über die Füße gelegt um nicht mit wilden körperlichen Verrenkungen der heißen Schweißflöhe wegen durch die Werkstatt zu springen. Ralf baute inzwischen das Zelt auf und kümmerte sich auch um die Einrichtung. Eine Probefahrt mit Vollgas in den Linkskurven in denen auch die größten Belastungen auftreten verlief zufriedenstellend.

Im Hintergrund das Bad und der eigentliche Wannsee, das wir uns auch am nächsten Tag nicht ansehen konnten. Duschen und dann etwas landfein machen. Warmes Abendessen gab es an einem überdachten Grillplatz. So ein Fertiggericht mit Nudeln und so aus der Tüte.

Heutzutage kann man so was schon mal essen. Es schmeckt sogar. Na gut es ist nicht gerade Mutters Küche. Aber gegenüber den Tütensuppen aus DDR Zeiten geht das schon. Einige Frauen sprachen zwar damals in Bezug auf diese Art der Suppen aus dem Kombinat „VEB MAGGI & BRÜHWÜRFEL“, daß man sie mit kleinen Klößen aus Gehacktem, Ei und etwas Grünzeugs verfeinern und damit wohlschmeckend machen könne. Aber sie hießen damals schon Faulefrauensuppen. Und den Begriff für diese Wunderwerke aus der Tüte der damaligen Zeit, den werden sie bei mir auch behalten.

Im Klubraum der Segler brannte Licht. Also eintreten und höflich fragen, ob wir auch wegen unseres Geruches vom Knoblauche her hier verweilen dürften. Ein Tresen mit Zapfhahn und Barhockern, „Setzt euch ruhig mal mit ran“. Fragen nach dem Woher, Wohin und Womit. Von unserer Seite wie weit sie denn so mit ihren Booten segeln. Schottland und Schweden waren nur einige Gegenden. Wir haben es mit Müh und Not mal gerade über einen Teil der See ähnlichen Havel geschafft. Auch über das heutige Wetter wurde gesprochen. Ein Segelboot sei untergegangen. Ein Stück vom seinem Mast und ein kleines Stück vom Segel soll noch über der Wasseroberfläche zu sehen gewesen sein. Der Hubschrauber sei auch im Kreis geflogen. Auf unsere Frage was wir für das Schweißen, die Duschmöglichkeiten und das Bier zu zahlen hätten folgte nur eine abwinkende Handbewegung. Etwas Beschämung war dabei auch in uns. Etwas anderes aber auch. Es ist wirklich nicht mit Worten auszudrücken. Denn in der Notlage in der wir waren und dabei in der heutigen Zeit der hohen Ellenbogen auf Menschen zu treffen die noch Herz und Verstand haben und einfach so helfen. Hiermit noch einmal ein Dank. Euch Segler aus Kladow werden wir nicht vergessen. Es war inzwischen auch schon dunkel draußen. Ein letzter Blick durch die Fensterscheiben der Werkstatt ob auch nichts vom Schweißen her brannte. 26 Kilometer an diesem Tag, aber wir waren wohlauf. Und unserem Motor, dem ging es ja auch wieder gut.

 

5.Tag Donnerstag 28.06.2007

Früh waren wir an diesem Tag schon auf den Beinen. Die allmorgendlichen Tätigkeiten bedurften ihrer Zeit und den Wetterbericht am Vorabend, den hatten wir nicht gehört. Die Wellen, die aber noch am Vorabend in der Enge zwischen der Pfaueninsel und dem Festland gesichtet wurden waren auch schon wieder mit noch kleinen weißen Spitzen da. Beim Anstecken des Motors löste sich auch noch der Schlauch vom Benzinhahn. Der Stutzen von diesem Hahn war etwas scharfkantig und an diesem klebten ganz kleine schwarze Stückchen vom Benzinschlauch. Das also war die Ursache unserer langen Schleichfahrt auf dem Vosskanal. Im Benzinfilter war nichts zu sehen, aber im Schwimmergehäuse war schon wieder etwas von diesem feinen schwarzen Granulat. Durch die Schüttelbewegungen des Tanks hatte sich ein Abrieb gebildet. Einige Stückchen von dünnerem isolierten Draht hatte ich eingepackt, denn Draht braucht man immer und ganz besonders dann wenn man keinen dabei hat. Ein Stück davon half auch. Ein Segler vom Vorabend wollte unsere Abfahrt nicht verpassen. Sein Handtuch lag auf der Schulter und die Waschtasche, früher in der DDR hieß so ein Ding mal Kulturbeutel, die hielt er in der Hand. „Fahrt mal rüber zur Pfaueninsel, denn hier rechts baut sich bei dieser Windrichtung immer zuerst etwas auf. Dann seid ihr auch gleich auf der richtigen Seite. Hinter der Glienicker Brücke habt ihr dann, wenn es gut geht auch das Gröbste hinter euch“. Worte von jemandem der dieses Gewässer kannte. Noch einmal ein herzliches Danke von unserer Seite. Wir machten uns wasserfest und ein Zug an der Leine brachte den MAW um 08:25 Uhr zum Laufen. Ist die Persenning offen, dann mache ich den Wickelvorgang der Anreißleine selber. Wenn man aber so wasserfest verpackt ist dann wickelt Ralf und reicht mir dann den Knebel. Mittlerweile geht das bei ihm schon ohne hin zu sehen.

Das Wasser war schon etwas kabbelig, rechts von uns in der Enge noch immer diese Wellen und gegenüber lag der Wannsee mit seinem Bad. Hinter der Pfaueninsel wurde das Wasser wieder ruhig und ein leichter Nieselregen setzte ein. Rechts auf der Insel, ein sehr schönes und großes Bootshaus mit vielen Verzierungen, wahrscheinlich noch aus des Kaisers Zeiten. Und am linken Ufer saßen einige Angler, denen der Hühnerschreck auch den letzten Schlaf aus den Augen trieb. Nach der Pfaueninsel wurde es auf dem Wasser doch recht ungemütlich und auf dem Jungfernsee waren die Wellen die wir jetzt von der Seite bekamen schon wieder so hoch, daß wir etwas kreuzen mußten. Die Glienicker Brücke, über die in früheren Jahren die Agenten der  Geheimdienste ausgetauscht wurden kam in Sicht und dahinter wurde es für uns auch wieder ruhiger, so das der Fotoapparat heraus geholt werden konnte. Noch heute künden die zwei verschiedenen Grautöne die sich in der Mitte der Brücke treffen von zwei deutsch deutschen Malerbrigaden, die nach dem letzten Pinselstrich bestimmt kein Bier miteinander getrunken haben.

Denn auf der ostdeutschen Seite waren mit Sicherheit hohe Persönlichkeiten der DDR „Malerinnung“ vertreten. Die in Schlips und Kragen aber auch mit zugekniffenen Augen streng darüber wachten, daß die DDR Maler nicht in den Genuß fremdländischer Biersorten kommen sollten. Und sich vielleicht sogar auch noch daran gewöhnen könnten. Diese Sorte Menschen in Schlips und Kragen die gibt es heute auch noch, nur das sie sich nach der Wende schlagartig stark vermehrt haben. Sie haben aber auch keine zu gekniffenen Augen mehr, beteuern aber immer und immer wieder wie wichtig sie doch seien. Obwohl ihre zarten Hände eher davon künden das sie noch kein Stück Werkzeug darin gehalten haben. Der Einfachheit halber haben sie kurz nach ihrer massenhaften Vermehrung vom Volk in bezug auf ihren Halsschmuck den Namen Kragenblütler erhalten. Damit gehören sie aber keineswegs einer biologischen Artengattung an. Und das ist auch gut so. Denn somit braucht man sie nicht regelmäßig zu gießen oder gar auch noch umzutopfen.

Potsdam konnten wir uns bei relativ ruhigem Wasser ansehen, aber auch die Millionen die als Häuser am Ufer standen oder in Form von Schiffen und Booten vor diesen Häusern lagen. Versucht haben wir es schon diese Millionen zu zählen, haben es dann aber letztendlich aufgegeben. Denn die Sehenswürdigkeiten dieser Stadt vom Wasser aus betrachtet und besonders die uralten aufgearbeiteten Fahrgastschiffe waren für uns mehr von Interesse. Auf dem Templiner See hatten wir es wieder mit den Wellen zu tun, diese aber waren ziemlich groß und langgezogen. Angenehm schaukelnd hob und senkte sich das Boot und wir hatten das Gefühl wie in einer Sänfte getragen zu werden, als dann urplötzlich der Motor seinen Dienst versagte. Noch im Fahrwasser schwimmend, paddelten wir dann an eine ruhigere Stelle in Ufernähe. Die Wasserpumpenzange mußte wieder als Kerzenschlüssel fungieren. Dabei diese mit der linken Hand führend und mit der rechten Hand zusätzlich haltend, stellte es sich heraus das nur die Elektroden der Zündkerze überbrückt waren. Das war aber auch unsere letzte Panne. Nicht weit von dieser Stelle unterquerten wir die Eisenbahnbrücke des Berliner Außenringes. Die Hänge des Bahndammes waren mit Bäumen vollkommen bewachsen. Fotos bei mir, von vor vielen Jahren zeigen diese noch ohne jeglichen Baumbewuchs.

Hinter dieser Brücke gab es einmal ein Ferienlager mit solchen Zehnmann Zelten und eisernen Bettgestellen wie sie bei der Armee in der DDR Verwendung fanden. Einzig und allein dienten sie ansonsten dazu um die Soldaten aus der Tristigkeit der Kasernen zu entlassen und um sie dann in streng organisierten Ausflügen den Schönheiten der Natur etwas näher zu bringen. Damit sie innerlich nicht so ganz geistig austrockneten. Ausflüge in die Natur machten wir als Schulkinder auch, nur das diese nicht so straff wie bei den Soldaten reglementiert waren. „Wir fahren an den Templiner See  in ein Ferienlager.“ Dieser Satz unsere Klassenlehrerin ließ uns wirklich frohlocken. Der nächste Satz aus ihrem Munde machte diese Frohlockung aber doch gründlichst zu Grunde. „Baden im See das geht nicht, weil ein Krankenhaus diesen See baktereologisch verseucht.“ Da hätten wir auch in ein Gebirge ohne Berge fahren können. Und so saßen wir dann gelangweilt am Strand und suchten in der Ferne dieses uns das so gemeine Unglück bringende Krankenhaus. Wir konnten es aber, sosehr wir uns anstrengten nicht sehen. Bei einer aufkommenden Langeweile reifen in mir aber immer so leise und anfangs fast nicht spürbar diese guten Taten. Langsam gedeihen sie in mir und wachsen unaufhaltsam, bis sie dann in geistiger Vollendung auf einmal da sind. Maikäfer schwirrten durch die abendliche Luft. Damals gab es von diesen so schön brummenden Gesellen noch sehr viele. Etliche von diesen Brummern wanderten kurzzeitig in eine Tüte um sich dann in einem Zelt der Mädchen auch wieder gefälligst ausbreiten zu können. Denn die Mädchen waren auch geplagt von dieser Langeweile und das sollten sie nicht länger. Aus diesem Zelt erklangen auch alsbald diese schrillen und keifenden Geräusche, die nicht mehr von einer Langeweile der Mädchen zeugten. Nun ging es die Mädchen also auch wieder gut. Aber prompt fand sich auch eines dieser zum Teil mit Zöpfen versehenen Geschöpfe, welches auf die Frage unserer Lehrerin nach demjenigen der das da so war, lautstark aber auch energisch antwortete. „Der da“. Diese Art von Menschen die wird man auch einfach nicht los. Kaum ist einer weg, sind schon wieder zwei nachgewachsen. Der verräterischen Zeigefinger, der zu diesem grimmigen Gesicht gehörte war auch noch krampfhaft gestreckt auf mich gerichtet. Kurzum, ich war mal wieder dran. Das hat man nun von seinen guten Taten. Aber der Fahnenmast auf dem Schulhof der war ja weit weg. Was sollte mir denn hier schon passieren. Dieser Fahnenmast an dem bei Wind die FDJ und die Pionierfahne lustig flatterten, der stand bei uns auf dem Schulhof. Im Kreis von Feldsteinen in einem Beet eingebettet und dieses war mit allerlei Blumen versehen. An diesem Fahnenmast da durfte man sich auch immer aufstellen, je nach Art der Kinderkategorie der man so angehörte. Am montäglichen Appel waren zuerst die normalen Kinder dran. Denen wurde gehuldigt wie gut sie doch seien, wie fleißig und wie lieb auch noch. Auch wurde ihre Artigkeit mit den sich fast schon überschlagenden und trällernden Stimmen der Lehrer dargestellt. Die anderen Kinder, die noch zu keiner Kinderkategorie dazu gehörten applaudierten erst einmal das Verkündete mit diesen aaaah und ooooh Worten. Und dann waren wir dran. Die richtigen Kinder, die sich auch vor diesem Fahnenmast aufstellen durften. Die Stimmen der Ausrufer verfinsterten sich aber schon bis zum Grolligen hin, um dann ausführlich und präzise den vielen aaah und oooh rufenden kategorielosen Kindern unsere guten Taten zu erklären.  Diese zogen dabei ihre Köpfe ein und waren ganz still. Die normalen Kinder lasen sich inzwischen ihre bunten Zettel durch die sie von den Ausrufern bekommen hatten. Denn auf diesen Zetteln waren auch all ihre löblichen Huldigungen schriftlich festgehalten. Urkunden, die haben mich noch nie interessiert. Statt dessen gab es bei mir immer im Hausaufgabenheft unter der Rubrik Mitteilungen an die Eltern die notwendigen Eintragungen für meine guten Taten. Damit auch die Eltern lesen konnten das es mir in der Schule so richtig gut ginge. Auch im Klassenbuch wurden diese guten Taten nieder geschrieben. Aber wahrscheinlich nur deshalb, damit die Lehrer ihren Ehegatten auch mal etwas Vernünftiges vorlesen konnten. Aber eine meiner guten Taten war wahrscheinlich so gut, daß hierzu sogar der Ältestenrat der Schule eine außerordentliche Tagung abhielt. Diese Tagung war ihnen aber auch so wichtig, daß sogar eigens meine Eltern dazu als Ehrengäste eingeladen wurden. Von einer Versetzung an eine andere Schule und auch noch mit meiner eigenen Person als solcher war die Rede. Dazu ist es aber nicht gekommen. Wahrscheinlich weil die Lehrer doch noch von der durchaus richtigen Einsicht befallen wurden, daß sich die richtigen Kinder von der einen sich schon mit den gleichen Kindern dieser Gattung der andern Schule alsbaldig verbünden würden. Die Ausrufer am Fahnenmast gaben auch diese meine gute Tat den dabei wieder ruhig werdenden Kindern ohne Kategorie kund. Warum diese Kinder einerseits immer aaah und oooh riefen, aber bei uns richtigen Kindern immer so ruhig wurden, daß kann ich nicht erklären. Wahrscheinlich wußten sie noch nicht so genau auf welche Seite des Lebens sie sich einmal schlagen würden. Vor dieser Frage habe ich nie gestanden.

Der Hühnerschreck tuckerte auf dem schön welligen Wasser des Templiner Sees friedlich dahin. Je nach der Strömung leicht umtaktend oder auch eigentlich so normal laufend. Aus dem ehemaligen Ferienlager ist ein Campingplatz mit Bootsstegen geworden. Und baden kann man in diesem See jetzt auch. Die Eisenbahnbrücke bei Caputh unter der hindurch man in den Petziensee gelangt tauchte in der Ferne auf.

Da, genau an dieser Brücke da waren wir doch mal. Eine Wanderung während dieser Klassenfahrt führte uns an diesen Ort. Und was wir dort sahen das verschlug uns fast den Atem. Dort badeten Kinder und die sprangen sogar von dieser Brücke herunter. Diese Kinder hatten auch keinerlei Pickel oder gar Geschwüre die von diesen Bakterien in dem See herrühren konnten auf der Haut. Schnell wurden wir von unserer Lehrerin weitergeführt. Aber es gab diese langweiligen Abende, mit dem See vor uns ohne in diesem baden zu dürfen. Unmittelbar sollten wir uns in Platznähe aufhalten. Drei oder vier von uns richtigen Kindern fanden sich noch. Auch ihnen war der Ausdruck unmittelbar nicht genau genug von unserer Lehrerin erklärt worden. Es wurde somit beschlossen das der Begriff „unmittelbar“ bestimmt ganz kurz hinter dieser Brücke seine endgültige Grenze hat. Endlich baden. Was für eine Erlösung für uns. Die Haare wurden nach diesem Bad peinlichst in Ordnung gebracht und wir begaben uns dann auch wieder hinter die eigentliche unmittelbare Grenze, die so aber nur für unsere Lehrerin und die anderen Kinder gedacht war. Einigen wenigen Kindern denen man aber schon zutrauen konnte das sie auch einmal zu richtigen Kindern würden, denen berichteten wir über unsere gute Tat. Sie staunten zwar mächtig, trauten sich aber dennoch nicht baden zu gehen. Verpetzt wurden wir von ihnen aber nicht. Sie waren scheinbar schon auf dem richtigen Wege zu unserer Gattung hin, hatten aber doch noch nicht ihre eigene Persönlichkeit vollends erkennen und somit auch richtig aufbauen können. Aber das würde schon noch werden. In den folgenden Tagen fragten wir uns aber dennoch ab, ob denn schon irgendwelche innerkörperlichen und organischen Veränderungen in uns zu spüren wären. Alle unsere sich schüttelnden Köpfe verneinten dieses. Und so kamen wir zu dem Schluß, daß diese schwerwiegenden  Worte unserer Klassenlehrerin in bezug auf das Badeverbot uns nicht vor dem Zugrundegehen wegen einer baktereolgischen Verseuchung bewahren sollten. Sondern damit wahrscheinlich nur von ihr hinterhältigst verdeckt kund getan wurde, daß es lediglich an einer bademeisterlichen Aufsicht mangelte. Gedanken, die einem so durch den Kopf gehen wenn man etwas Zeit und Muße hat. Klassenfahrt 1967. Die ist wirklich schon ein paar Donnerstage her. Es können aber auch Freitage gewesen sein, aber so genau weiß man das nicht mehr.

Unter dieser Brücke hindurch, an der wir als Kinder heimlich gebadet hatten gelangten wir auf den Petziensee. Klein gegenüber dem Temliner See ist er und auch somit nicht dem Wind so ausgesetzt. Das Wasser war hier auf diesem See leicht kräuselnd. Ralf sprach davon, daß wir durch den Wentdorfgraben fahren würden. Eine kleine aber auch schon ältere Holzbrücke am gegenüberliegenden Ufer das mußte die Einfahrt sein. Und das war sie dann auch. Nach dieser Brücke schlossen sich die Kronen der Bäume wie ein Dach über uns und es wurde ziemlich dunkel. Die von den Schiffen frei gespülten Wurzeln der Bäume vermittelten einem den Eindruck durch einen Mangrovenwald zu fahren. Wieder im Tageslicht waren wir auch auf dem Schwielow See. Wellen wie auf der Havel vor dem Wannsee ließen den Motor wieder ordentlich Wasser schlucken. Soll er doch, denn scheinbar verträgt er Wasser auch genau so gut wie Benzin. Die etwa zweihundert Meter in diesen Wellen die schaffen wir auch notfalls paddelnd. Das Wasser wurde auch wieder ruhiger und am andern Ufer angekommen fuhren wir dicht unter Land bis zur Straßenbrücke der B1. Vorbei an einem Ferienparadies, in weiß blau gehalten und scheinbar auch eines das so richtig teuer ist. Bestimmt auch eins von diesen Paradiesen mit Wellness oder so. Mit was man alles so Geld verdienen kann.

Ihr habt es beim Lesen bestimmt nicht merken können, aber ich mußte mal schnell in ins Internet gehen, um dort nachzusehen wie dieses Wort Wellness richtig geschrieben wird. Denn weder das Programm WORD 97 noch ich sind der Schreibwiese dieses Wortes vollends kundig. Und meinen alten DDR Duden aus der Mitte der achtziger Jahre, den brauche ich dazu bestimmt auch nicht befragen. Wenn Oma so ein Wellness brauchte, dann sagte sie immer im tiefsten pommerschen Platt, “Ick set mi mohl for fiv Minuten hen“. Und sie mußte für ihre Art dieser heutzutage mit einem fremdsprachigen Wort deklarierten Erholung nicht einmal ihr Portemonnaie aufmachen.

An einem ganz kleinen Strand einer Laubenpieper Siedlung legten wir um 11:05 Uhr an und machten Mittag.

Zwei alte aber bequeme Stühle, auf denen ansonsten wohl Eltern oder auch Großeltern saßen um die Kleinen beim Baden zu beaufsichtigten waren für uns das doch noble Mobiliar während der Mittagspause. Ein leise säuselndes Geräusch, das vom Wasser in dem Topf auf dem Kocher herrührte wurde auf einmal aber unterbrochen von einem entfernten auf- und abschwellendem Motorengeräusch aus dieser Laubenpiepersiedlung. Da ist wer und wir brauchen noch etwas. Während ich schon unterwegs zu dieser Geräuschquelle war, rief Ralf noch „Wo willste denn hin?“ „Bindfaden holen“ rief ich ihm noch im Gehen zu. Ein Ehepaar ließ sich Rohre in die Erde legen. Der LKW Fahrer hob bei der Frage nach etwas Schnur nur die Schultern, sagte aber „Geh mal da rein , da ist wer.“ Dem Eigentümer wurde unser Problem geschildert und ein Stückchen Bindfaden, das hatte er auch. Unsere Wasserpumpenzange erhielt nun eine Handschlaufe um bei einem Einsatz als Ersatzkerzenschlüssel nicht auch noch wie dieser Schlüssel, der schon seit einigen Tagen auf dem Grund der Havel lag, ein eigens nur für uns gedachtes leises Plumps Geräusch zu erzeugen. An diesem Strand dicht am Wasser, da stand auch ein Johannisbeerstrauch. Scheinbar schon sehr alt an Jahren und auch schon knorrig. Reste von seinem Vater, es können aber auch die von seiner Mutter gewesen sein, die hier einmal hier weg geworfen wurden hatten ihn wohl wachsen lassen. Scheinbar beachtete ihn auch niemand mehr. Die sehr großen Beeren von ihm waren aber für uns  auch eine willkommene Bereicherung unseres Speisezettels. Während wir diesen Strauch fast leer futterten, gab es auch bei den Bleßhühnern die vor uns im Wasser schwammen Mittag. Nur sollten die Jungen, bei denen sich noch leicht wenn der Wind von hinten kam die Federn etwas hoben sich ihre Fische selber fangen. Die waren aber nicht dämlich und ließen sich letztendlich doch von ihren Eltern füttern. Und das fand ich auch gut so. Ich habe ja auch nicht bei den Nachbarn geklingelt, wenn bei uns da Essen schon dampfend auf dem Tisch stand.  Um 11:45 Uhr saßen wieder im Boot und fuhren am linken Ufer windgeschützt auf Werder zu. Eine kleine Bogenbrücke mit etwa zehn Metern Länge lag vor uns. Unter dieser Brücke hindurch gelangten wir auf die Regattastrecke deren Bahnen auch mit Bojen markiert war.

Bevor wir aber diese Brücke passierten, nahmen wir jedoch unsere Gehörstöpsel aus den Ohren. Und was wir unter dieser Brücke zu hören bekamen, das war wirklich  gigantisch. Wenn man da durchfährt kann man wirklich erleben weshalb der Hühnerschreck Hühnerschreck heißt. Hinter der Autobahnbrücke der A10 begann es auch zu regnen. Fast keine Schiffe waren zu sehen. Es war Donnerstag und die Urlaubssaison hatte ja auch noch nicht begonnen. Lediglich das Schiff von RBB Antenne kam uns entgegen. Wo die auch überall lang fahren. Einer vom Filmteam ging nach vorn um die dort aufgebaute Kamera besser vor dem Regen zu schützen. Eine erhoben Hand von ihm und zwei von uns, dann war er auch schon wieder unter Deck verschwunden. Sauwetter. Aber in dem Schiff da brauchte man bestimmt keine Regenjacke. Ketzin hatten wir schon lange hinter uns gelassen. Es hatte auch aufgehört zu regnen, aber der Wind nahm wieder zu. In Höhe der Ortschaft Deetz verengt sich der Verlauf der Havel und weitet sich dann wieder zu einem See auf. Den Wind, den wir jetzt von vorn zu spüren bekamen der war wirklich ungemütlich. Die Wellen auf dem See waren wieder weiß an ihren Spitzen. Trocken wie wir an diesem Tage noch waren, konnten wir sie wirklich nicht gebrauchen. Umkehren und eine ruhige Stelle suchen. Eine Absprache dazu war zwischen Ralf und mir nicht nötig. Wasser und Kekse sitzend im Boot verzehrend und warten auf ein Abflauen des Windes. Daß war alles was wir tun konnten. Nach ca. zwanzig Minuten konnten wir jedoch weiter fahren. Vor Brandenburg zeigte sich auch wieder die Sonne und dabei aber so kräftig scheinend, als wenn sie sich wegen ihres längeren Aussetzers bei uns entschuldigen wollte. Durch den Stadtkanal fahrend gelangten wir auch alsbald zur Sportbootschleuse. 16:15 Uhr. Nach zehn Minuten waren wir dann auch wieder einmal ein Stück mit dem Wasser nach unten gefallen. Noch fünf Minuten Fahrt und wir lagen am Steg des Brandenburger Kanuclubs. Sechzig Kilometer hatten wir an diesem Tag zurück gelegt. Ein Sprichwort sagt zwar das es manchmal hinten und vorne nicht reicht. Aber bei etwas über sieben Stunden, die wir sitzend im Boot verbracht haben reichte es bei uns zumindest hinten vollends. Das Boot wurde wie nach jeder Etappe entladen und an Land gebracht und das Zelt aufgebaut. Eine Trainerin einer Jugendgruppe, bei der wir uns auch anmeldeten sagte uns das wir einen Schlüssel für das Objekt an diesem Tage nicht bekommen könnten. Aber die Kraftsportler nebenan die trainieren bis um neun Uhr und solange seien auch die Duschräume offen. Die Duschmarken für die Duschautomaten wurden gekauft und das warme Wasser von oben tat auch gut. Entgegen zu den Automaten dieser Art in Wesenberg, mußte man sich in Brandenburg aber beeilen um mit einer Marke auszukommen. Denn hier lief die Zeit auch weiter, wenn der Wasserhahn zu war. Ralf, der ja noch im Besitz von finanziellen Barschaften war ging einkaufen. Ich machte die Restarbeiten an unserem Lagerplatz und wollte dann Kaffee kochen. Etwas Druck wurde auf den Kocher gepumpt und der Hahn an diesem aufgedreht. Aber diesmal erklang kein Zischen aus dem Kopf des Kochers. Alle weiteren Versuche blieben auch ohne Erfolg.

In dieser Beschreibung des Kochers, mittlerweile habe ich auch so einen aus dem fernen Amerika steht in etwa geschrieben. Repariere diesen Kocher niemals selber, denn diese Reparatur von Unfachleuten ist kreuz gefährlich. Bringe ihn zu einer Fachwerkstatt und lasse ihn dort von Fachleuten reparieren. Und wenn du keine Fachwerkstatt in deiner Nähe hast, dann gehe zur Post und lasse ihn zu einer dieser so fachlich versierten Werkstätten verschicken.

Ein wirklich schöner, aber für uns in dieser Lage unbrauchbarer Zettel. Und auf diesem so schön geschriebenen Zettel, da steht bestimmt auch nicht geschrieben wo es in Brandenburg so eine Werkstatt dieser speziellen Art, oder gar auch eine Postdienststelle gab. Und Ralf der würde ja auch bald wiederkommen. Mit frischem Kuchen. Auch der Gedanke diese harten und auch noch trockenen Nudeln aus dem Gericht einer Tüte zum Abendessen kauen zu müssen war da. Lieber nicht. Vor irgendwelchen Schrauben habe ich noch nie Angst gehabt und an diesem Kocher sind auch weitaus weniger Schrauben dran als an einem Hühnerschreck. Alles verfügbare Bordwerkzeug wurde ausgepackt und mit der Demontage dieses Kochers begonnen. Nach dem Lösen der Überwurfmutter war am Hahn des Kochers jedoch ein Zischen zu vernehmen. Also, dieses Ding noch weiter auseinander bauen. Das ging auch bis zu einer Abdeckung hin ganz gut. Und da waren sie dann. Kreuzschlitzschrauben. Diese Art Schrauben also, die einmal für blinde Monteure erfunden wurden. Da man scheinbar gröblichst befürchtete, daß diese Art der montierenden Mitmenschen die sonst üblichen Schlitze in den Schrauben nicht gleich vollends und genau treffen könnten. Welcher Hühnerschreckfahrer aber hat denn schon so einen Schraubenzieher bei sich. Ich nicht. Mit der Wasserpumpenzange ging es dann aber mit diesen Schrauben. Durch ein Rohr, in dem auch noch so eine Art Bowdenzug verlief ließ sich keine Luft durchblasen. Durch die Düse am anderen Ende dieses Rohrens aber auch nicht. Die Bohrung dieser Düse aber war mehr als dünn. Kein auch wenn noch so dünner Grashalm würde da hindurch passen. Der Gedanke an einen einzelnen Draht von einer Drahtbürste, die man im Kanuclub vielleicht auftreiben könnte wurde auch gleich wieder verworfen. Zu dick. Diese Bohrung war auch noch tief in diese Düse eingelassen. Die Zahnbürste, die könnte helfen. Mit diesem Instrument der innerkörperlichen Reinigung aber konnte auch diese Düse aus dem fernen Amerika  wieder durchlässig gemacht werden. Ralf trudelte mittlerweile auch wieder ein, in der einen Hand die Tüte mit dem frischen Kuchen. Ich mußte mich also beeilen. Die Sache mit dem Kocher noch nicht ganz überblickend, fragte er dann so in der Art wo denn der Kaffee…. . Weiter kam er erst mal nicht bei dem Anblick seines zum Teil zerlegten Kochers.

„Deck schon mal den Tisch und vergiß die Blumen nicht. Kaffee kommt gleich.“ Und den gab es dann auch. Zwar verspätet, aber Kaffee der muß sein. Eine vor kurzem geschlossene Gaststätte gleich neben dem Kanuclub, auf deren Terrasse mit Blick zum Wasser auch noch das Mobiliar stand. Was will man mehr. So nobel sitzend hatten wir während unserer Reise noch nicht speisen können. Die Jugendgruppe  diese Klubs trainierte mit ihren kleinen Rennkajaks auf der Havel. Und dabei klatschten sie, wenn sie nicht gerade fuhren immer mit dem Paddel auf das Wasser. Mal links und auch mal rechts. Meine Frage warum Kajakfahrer, wenn sie nicht mit dem Kajak fahren unbedingt die Fische mit dem Paddel verscheuchen müssen, wurde von Ralf wieder einmal wie bei allen solchen Fragen von mir erst einmal mit einem seiner ungläubigen Blicke beantwortet. Und danach mit den Worten. „Damit sie nicht umkippen“. Aha, so ist das also. Aber umgekippt sind sie dann doch. Wahrscheinlich, weil sie beim Klatschen mit den Paddeln auf das Wasser mal keinen Fisch getroffen haben auf dem sie sich mit ihrem Paddel dann auch hätten abstützen können. Das habe ich Ralf aber nicht erzählt. Denn seit seinem letzten ungläubigen Blick war es ja auch noch nicht sehr lange her. Ralf aber als Wassersportler war ganz aufgeregt und äußerte sich dahingehend, daß er mit solch einem Boot auch gern mal fahren würde.  Das soll er auch ruhig machen. Aber da werde ich bestimmt nicht dabei sein. Denn schon der Gedanke von mir an diese für mich nicht ausreichend schwimmfähigen Boote würde unweigerlich dazu führen, daß diese Winzlinge sich freiwillig aber auch noch ohne mich sitzend in ihnen auf dem Wasser umdrehen würden. Und einen Hühnerschreck, den kann man an diesen Booten auch nicht anbauen. Wir sahen diesem Treiben auch noch eine ganze Weile zu. Der Kaffee und der Kuchen hatten inzwischen im Magen schon lange Platz für das warme Abendessen gemacht. Wieder auf der Terrasse speisend wurde dieses in dem dort uns dargebotenen Stil wieder an einem Tisch sitzen dürfend eingenommen. Der Kocher funktionierte noch immer und sorgte auch dafür, daß die Nudelbeilage aus dem Tütengericht auch wirklich weich und somit bekömmlich wurde. Der erste Abend unserer Reise mit einem Sonnenuntergang wie man ihn sich wünscht. Knoblauch aus dem Glas als Dessert nach dem Essen und das tägliche Fläschchen Rotwein dazu. Wir waren zufrieden. Die Fische, die jetzt wieder an der glatten Wasseroberfläche der Havel spielten, die waren es scheinbar auch. Denn die Paddler hatten schon lange ihre Kajaks in den Schuppen gebracht. Die Lampen auf dem Gelände hatten sich eingeschalten und auf unserem Boot unter einer dieser Lampen liegend befand sich auch noch hinten rechts die eine Hälfte des Paddels.

Wir aber vertraten uns noch etwas die Beine. An der Eisenbahnbrücke in der Nähe unserer Unterkunft brannten bereits die Signale für die Schiffahrt. Fledermäuse flatterten im letzten Licht der untergehenden Sonne umher und stopften sich den Bauch voll mit allerlei Motten und Käfern die noch nicht müde waren und deshalb auch unbedingt noch umher fliegen mußten. Das hätten diese kleinen Brummer aber doch lieber sein lassen sollen. Im Zelt steckte sich Ralf noch die Gehörschutzstöpsel in die Ohren. Ich weiß ja nicht so recht was er nachts so an Geräuschen hört. Aber er vertritt nun mal konsequent die Meinung, daß ich nicht nur nach dem Genuß vom Weißbier, sondern auch nach dem des Rotweines unbedingt in tiefer und dunkler Nacht noch Berge von Holz sägen muß.

 

6.Tag Freitag  30.06.2007

Was Ralf in dieser Nacht so von mir als motorisierter Holzfäller gehört hat, daß kann ich nicht sagen. Aber in dieser Nacht bekamen wir beide etwas zu hören. Es war so etwa 2:00 Uhr, als wir durch für uns durch noch nicht deutlich wahrnehmbare Stimmen und einem flackernden Lichtschein der auf unserem Zelt lag geweckt wurden. Da man jedoch nicht höflich an ein Zelt anklopfen kann, wurden diese Stimmen auch immer lauter. Der Lichtschein flackerte immer noch etwas umher und die ersten Laute die ich noch im Halbschlaf vernehmen konnte waren so in etwa zu deuten wie „ooo, iiier, eiii“ und danach „auuu“. Die Stimmen vor dem Zelt wurden lauter und ich auch wacher. Jetzt aber wurde vor unserem Zelt sogar in ganzen Sätzen gesprochen. Und aus diesen, bis dahin undefinierbaren Lauten wurden die Worte, „Haallooo, hieer ist die Polizeiiii. Machen sie bitte mal das Zelt auuuf“. Was wollen die denn. Und mehrmals noch sagten sie ihren scheinbar wohl gut auswendig gelernten Text vor unserem Zelt artig auf. Damit haben sie sogar Ralf mit seinen Schnarchstöpseln in den Ohren wach bekommen. Der Eingang des Zeltes wurde ihnen geöffnet. Sie steckten auch ihre Nasen etwas in die Richtung dieses Einganges, zogen sich aber auch schnell wieder etwas davon zurück. Wahrscheinlich ist ihnen die von ihrem Chef sehr empfohlene Vorsichtsmaßnahmeregel für fremde Zelteingänge eingefallen, oder sie waren entschiedene Gegner des marinierten Knoblauchs. Dessen Geruch ihnen mit ziemlicher Sicherheit in die sich noch immer zurückziehenden Nasen drang. Ob wir Einbruchgeräusche gehört haben, so lautete ihre Frage. Also, ich habe nichts gehört. Und die Einbrecher, die hätten Ralf auch erst einmal seine Stöpsel aus den Ohren ziehen müssen damit er ihre Geräusche hören könnte. Es ist bei ihnen angerufen worden und es sei dabei von diesen Geräuschen die Rede gewesen. Wir aber haben nichts hören können. Außer diesen zuerst eigenartigen Lauten, die aber dann doch noch zu ganzen Sätzen wurden. Sie leuchteten noch eine Weile die Ecken des Platzes ab. Entschuldigten sich für die Störung, daß hätten sie aber nicht machen brauchen und fuhren von dannen. Wir schliefen dann auch bald wieder ein. Der nächste, also der schon neue Tag versprach dem Sonnenuntergang vom Vorabend nach ein schöner Tag zu werden. Die etwa fünfundvierzig Kilometer bis Rathenow waren auch kein Grund zur Eile. Auch die Sonne warf schon ihr Licht auf das Zelt. Geweckt wurden wir aber endgültig durch einige aufgeregte Stimmen auf dem Platz. Die Leute die zu diesen Stimmen gehörten suchten an den Gebäuden danach, ob diese nächtlichen ungebetenen „Gäste“ dort Schäden angerichtet hatten. Ein weißer Transporter stand auf dem Gelände und dessen Fahrer fragte uns auch ob wir etwas gehört hatten. Wir konnten auch ihm nicht weiter helfen. Auf seinem Boot sei eine Sicherheitsglasscheibe einer Tür eingeschlagen worden. Begeistert davon war er verständlicher Weise nicht. So allmählich machten wir uns auch startklar. Beim zu Wasser lassen des Bootes sagte Ralf. „Wo ist denn die hintere rechte Paddelhälfte?“ Gestern abend war sie noch da. Jetzt waren wir es die nach etwas suchten. Auch auf dem Boot des Geschädigten lag es nicht, aber auch nicht im Wasser. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Da klauen uns diese Ganoven unser Paddel, schlagen damit eine Scheibe auf einem Boot ein nur um an etwas Fusel zu kommen. Es ist wirklich keine Ordnung mehr in diesem Land. Alle Aufregung half nichts. Ralf hinterließ noch seine Anschrift und  Telefonnummer bei dem Kanuclub. Wir beluden dann das Boot. Unsere Vorräte hatten reichlich abgenommen, so das auch Ralf vorn im Boot mehr Beinfreiheit hatte. Um 10:00 Uhr verließen wir diesen Ort mit einer Paddelhälfte weniger am Boot. Alles suchen auf der Havel war auch vergebens. Die eine Hälfte des Paddels war und blieb verschwunden. Die Havel zeigte sich auch vom Wetter her von ihrer besten Seite. Auf dem Breitlingsee sah das aber schon wieder etwas anders aus. Hier kamen die Wellen von der Seite und diese in so einer Größe, daß wir kreuzen mußten um dem Motor nicht unnötig  viel Wasser zu verabreichen. Die beiden Inseln später links von uns versprachen zwar etwas Schutz, wenn wir uns dich unter Land halten würden, nur gibt es hier viele Reusen die auch noch dicht bis an die Fahrrinne reichen. Wir müßten also doch immer wieder hinaus. Bei einem größeren Segelschiff, welches mit Motorkraft fuhr wollten wir die abgewandte Windseite nutzen um so in etwas ruhigerem Wasser zu fahren. Dieses Schiff war für uns jedoch viel zu schnell.  Weiter kreuzend gelangten wir so auch um diese beiden Inseln und hatten die Wellen jetzt fast von vorn. Der Hühnerschreck dampfte ab und an etwas, brachte uns aber ohne Probleme bis Plau. Ein schnelles kleineres Motorboot kam uns von dort entgegen und wurde langsamer und immer langsamer, bis es dann nur noch leicht schwankend auf dem Wasser stand. In diesem stand jetzt auch wortlos der Kapitän. Er ist scheinbar extra zu Ehren des Hühnerschrecks aufgestanden. Denn so nachdenklich verharrend stand er auch noch ziemlich lange so da und überlegte wahrscheinlich immer noch was da an ihm so klein aber doch sehr laut vorbei geknattert ist. Unsere aber auch gewollt unterbetont lässig gehobenen Hände signalisierten ihm wohl aber auch, daß wir scheinbar schon seit Jahrzehnten dieser auf dem Wasser fahrenden Zunft angehörten. Aber auch das wir keinerlei Bewunderung für diese neuzeitlichen und modernen Boote übrig haben, in denen vielleicht auch noch weiche Sitze eingebaut sind. Denn damit fahren, daß kann ja ein Jeder. Nicht das Ralf und ich eingebildet sind, aber wenn schon jemand in diesem Maße dem Hühnerschreck seine Ehre und Anerkennung zukommen läßt. Dann soll er das auch ungestört tun können. Denn schließlich hat der Hühnerschreck es doch auch irgendwie verdient. Ab Plau herrschte dann auch schönes Faltbootwetter. Eben genau dieses Wetter das wir uns für die Reise eigentlich gewünscht hatten. Unter der alten Straßenbrücke von Plau hindurch, über die bis vor einigen Jahren noch die Straßenbahn nach Brandenburg gemütlich rumpelte und quietschte ging es weiter in Richtung Rathenow. Am linken Ufer hatte sich jemand mit einem braunen Kajak aus Holz einer Pause unterzogen. Der sich von der Sonne auf dem Rumpf spiegelnde Strahl wanderte je weiter wir fuhren immer weiter auf diesem Boot entlang, bis er dann schließlich auch erlosch. Und Ralf, der wurde wie immer bei einem Anblick eines Bootes dieser Klasse mehr als unruhig. Hoffentlich verkauft er nicht irgendwann wegen so einem Teil einmal aus niederen Beweggründen dieses auch schon alte Boot in dem wir saßen und an dem der Hühnerschreck so schön tuckerte. Unsere inneren Behälter, also diese Art der Organe die zum Verstau von Essenportionen einmal durch wen auch immer geschaffen wurden meldeten sich mit der Zeit mehr und mehr. In Höhe der Ortschaft Briest wurde von Ralf der Kocher in Gang gebracht, denn den immer lauter werdenden Reden dieser Behälter in der menschlichen Bauchnabelgegend, denen konnte man wirklich nicht mehr länger zuhören. Mittag von 11:55 bis 12:55 Uhr.

Pritzerbe mit seiner Kettenfähre kam in Sicht. Diese Fähre fuhr auch unmittelbar vor uns vom linken Ufer ab. Bremsen in Form eines Rückwärtsganges das geht bei diesem Motor nicht. Aber eine Linkskurve vor dieser Fähre mit Vollgas, die geht um nicht das Paddel benutzen zu müssen. Vor einem Seerosenfeld wurde die Drehzahl kurzzeitig gedrosselt um den linksseitigen Druck der Schraube auf das Boot weg zu nehmen und um so auch das Ruder des Bootes besser wirken zu lassen. Um 13:30 Uhr gelangten wir an die Schleuse Bahnitz. Ein Anruf beim Schleusenwärter, er könnte uns ja auch übersehen haben verhieß uns etwas zu warten, denn es komme noch etwas aus der anderen Richtung. Ralf verordnete sich einen Landgang und ich hatte Wache. Es ging aber auch nicht anders. Denn dieser Schwimmsteg war hoch und einer mußte ja das Boot halten, damit der andere aus- und auch wieder einsteigen konnte.

Ein kleines Motorboot legte vor uns am Steg an. Den Bootsmotor Tümmler, den kannte der Mann in diesem Boot noch aber einen Hühnerschreck. Ein weiteres Boot machte hinter uns an einem Pfahl fest und als dessen Motor ausging. Das Geräusch hinter dir das kennst du doch. Gemütlich tuckernd und brubbelnd kamen die Grizzli und ihr Begleitschiff um die Ecke. „Wie seid ihr denn über die Havel am Wannsee gekommen?“ Die erste Frage von diesem Gemütsmenschen der Grizzli. „Es hat gereicht“, kam von uns. „Doll genug war es ja und ihr seid da nicht abgesoffen“ Ein Kopfschütteln unsererseits. „Donnerwetter“, kam von der Grizzli. Die uns entgegen kommenden Schiffe waren schon beim Ausfahren aus der Schleuse und somit waren wir auch gleich dran. Unsere letzte Schleusung, aber eine in einem Schleusenbecken das sich nach unten verjüngte. Bestimmt in mühsamer Arbeit aus Ziegelsteinen gebaut und altehrwürdig anzusehen. So etwas das baut heutzutage niemand mehr. Um 14:10 Uhr gingen die Tore auf und wir fuhren als erste heraus. Diese Position auf dem Fluß vor den anderen Schiffen konnten wir auch halten, denn die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Havel die schafft der Hühnerschreck allemal. Zumindest wenn es flußabwärts geht. Wir hatten Zeit, waren auch schon an Premnitz vorbei und somit war auch noch ein Abstecher nach Mögelin möglich. Auf das Winken von uns ertönte ein Hupton von der Grizzli und wir waren auch schon von der Havel verschwunden. Auf einem schmalen Nebenarm der Havel kamen wir an Mögelin vorbei, um nach kurzer Zeit aber wieder auf der Havel zu sein. Die Grizzli, die weit vor uns war konnten wir aber einholen. An den Eisenbahnbrücken von Rathenow hatten wir sie dann auch wieder.

Vorn die Grizzli und dahinter ihr Begleitschiff. Nach ein paar hundert Metern trennten sich unsere Wege. Aber wer weiß, vielleicht sieht man sich einmal wieder. Wir hatten ihn wirklich schon vermißt, aber er stellte sich dann doch noch ein. Der alltägliche Regen am Nachmittag. Ohne ihn ging es wirklich nicht. Die Gehörschutzstöpsel wurden aus den Ohren gezogen, um auf den letzten einigen hundert Metern eines Seitenarmes der Havel den Hühnerschreck mit einer Drehzahl die nur etwas höher lag als die des Standgases reell zu erleben. Am KWTC in Rathenow gab es noch eine Linskwende und nach deren Ende wurde um 16:10 Uhr ein letztes Mal während dieser Fahrt auf den Kurzschlußknopf des Motors gedrückt. Lautlos lief das Boot sanft gleitend auf dem Wasser der Rampe zu, auf die es auch fast geräuschlos etwas auflief. Während der Zeit auf diesen letzten Metern ohne den Motor fahrend sprach auch niemand von uns ein Wort. Denn eine schöne, aber auch aufregende Reise hatte ihr Ende gefunden und besteht ab diesem Zeitpunkt nur noch aus Erinnerungen für uns. Wie eben alles so im  Leben. Unser Boot wurde noch etwas weiter auf diese Rampe herauf gezogen, um es dann zu entladen.

Schon wieder in den Zustand eines normalen Faltbootes zurück versetzt liegt unser „Sturmvogel“ in Rathenow auf dem Trockenen, um dann auch gänzlich zerlegt in den dazu gehörigen Packsäcken zu verschwinden. Mal sehen wo er uns das nächste Mal hinführt. Kaffee kochen konnten wir in der Küche von diesem Rathenower Bootsclub und eine letzte Packung Kekse die fand sich auch noch in unserer Ausrüstung. So brauchte Ralf auch nicht einkaufen gehen. Im Bereich der Kassen dieser Supermärkte, die er so aufsuchte da stand er auch immer sehr einsam herum. Denn weder noch die gründlichste Dusche, aber auch nicht das stärkste Deo haben, nun mal die Kraft den Geruch der von diesen zwiebelähnlichen marinierten Früchten aus dem Glas ausgeht zu überlagern. Und von denen hatten wir ja nun mal mehr als reichlich gegessen. Wegen der Skorbut und so. Nicole und Andreas Klar aus Salzwedel waren bereits verständigt und holten uns auch aus Rathenow ab. Als wir schon beim Verladen der Sachen waren, erschien ein schon älterer Herr auf dem Gelände. Dieser betrachtete sich aufmerksam unseren Berg Ausrüstung von dem noch nicht alles im Auto verstaut war. Seine rechte Hand erhob sich dabei langsam und bedächtig und legte sich dann auch etwas leicht daran reibend auf sein Kinn. „Den PFEIL, den gibt es noch?“?  „Ja“. Er hatte auch einmal so einen Bootsmotor. Einmal sei ihm auch der nach außen stehende Zapfen der Kupplung gebrochen, obwohl es schon der Bootsmotor mit der fünfzehner Welle war. Den Motor habe er dann auch nach Magdeburg Buckau geschickt. „Die haben ihn mir dort auch problemlos repariert“. Der sechste dieser ehemals mit so einem Motor fahrenden Bootsführer der mir über Weg gelaufen ist. Auch sein Motor hatte wie auch die von den anderen noch kein Gebläse. Wir wollten los. Ein herzliches Dankeschön an die Rathenower. Hinten im Auto sitzend fiel uns auf, daß Nicole und Andreas leicht gebeugt, ihre Nasen in Richtung der Belüftungsschlitzen der Scheibe haltend versuchten dem nach vorne wallenden Geruch des Knoblauches zu entgehen. „Riecht es vielleicht eigenartig?“ „ Nö, nö“ erklang es von vorn. Aber so richtig überzeugend klang das auch nicht. Die Fahrt ging über Kalbe/Milde, wo Ralf dann bei seiner Frau abgegeben wurde. Eine halbe Stunde später war ich dann auch wieder zu Hause. Wissend aber, daß mein zweiwöchiger Angelurlaub etwas später angetreten werden mußte.

 

Ein kurzer Rückblick

Es regnet nicht, es schüttet nur so und das schon seit einigen Tagen. Laut prasselnd schlagen die Regentropfen auf das Dach des Wintergartens und im Kaminofen brennt im Juli das Feuer. So etwas gab es auch nicht. Angeln das hat nicht viel Sinn, denn bestimmt pumpen sie schon wieder die Kanäle leer. Aber ein dicker Zander, zwei Barsche und drei Aale gehörten schon nicht mehr zum ostfriesischen Eigentum. Zeit zum Schreiben die hatte ich zu hause auch schon, denn ich mußte mich auch noch um meine verlorenen Dokumente kümmern. Aber die vielen Eindrücke von diesen sechs Tagen die waren noch nicht zu verarbeiten. Denn es war eine Woche in der wir frei wie dieser sprichwörtliche Vogel, morgens aufbrachen aber dabei noch nicht wußten wo wir abends anlanden würden. 236 Kilometer haben wir in den fünf Tagen mit dem Boot fahrend zurückgelegt. Die Entfernung wurde mit Google Earth im Internet berechnet. Da wir uns vieles aus der Nähe angesehen haben aber auch der Wellen wegen kreuzen mußten, sollen 240 Km die Berechnungsgrundlage bilden. Auch die Zeiten der Abfahrt und der Ankunft, der Pausen und der Reparaturen sowie die an den Schleusen wurden nicht auf die Minute genau festgehalten. Immer die in etwa die vollen fünf Minuten. Das sollte aber auch in bezug auf etwas Statistik nicht ins Gewicht fallen. Denn in der Hinsicht des Kraftstoffverbrauchs ist diese, zumindest für uns im Gegensatz zu der Fahrt nach Hamburg interessant. Wir haben viel erlebt und auch viel gesehen. Auch wenn es nur unscheinbare Erlebnisse in der Natur waren. Und auf interessante Menschen, auf die trifft man unweigerlich. Wir haben manchmal auch das Wetter verflucht. Aber die Stimmung ist nie unter den Nullpunkt gesunken. Bei etwas verhaltener Fahrweise hätte das Benzin, wenn vielleicht auch gerade noch so bis zum eigentlichen geplanten Endpunkt gereicht. In Havelberg, oder auch noch in Rathenow aber hätten wir wie auch immer schon nachtanken können. Und wenn die Tankstelle etwas weiter weg gewesen wäre, es hätte bestimmt jemand gegeben der uns bis dahin und auch wieder zurück gefahren hätte. Hitzacker an der Elbe, daß war unser gestecktes Ziel. Näher an dem zu Hause von Ralf und mir liegend wollten wir es bis dahin schaffen. Aber in bezug auf die geringeren Strömungsverhältnisse der Havel und der Seen, aber auch in Hinsicht der Zeiten wo wir nicht fahren konnten, haben wir uns mehr als verkalkuliert. Die Elbe mit ihrer höheren Srömungsgeschwindigkeit hat uns dahingehend doch etwas verwöhnt. Aber das macht ja auch nichts. Denn diese Reise war trotzdem schön. Und wenn erst mal das Essen auf Rädern kommt, soweit denke ich aber noch nicht, dann braucht man so etwas auch nicht mehr machen zu wollen. Dann kann man nur noch die Tagesschau gucken oder auch Briefmarken sammeln oder so. Also bloß nichts anbrennen lassen. 26,8 Liter Gemisch hatten wir im Boot unterbringen können. Davon wurden 16,7 Liter auf den 240 Kilometern verbraucht, woraus sich ein Durchschnitt von 6,95 Litern auf 100 Kilometern ergibt. Die Zeit vom täglichen Fahrtbeginn bis zum Fahrtende betrug 41:50 Stunden (max.10:55h, min 6:10h). Die Laufzeit des Motors betrug 26:15h (max. 6:55h, min. 2:30h). Pausen an Land ob gewollt oder auch nicht 6:45h. Die Zeit die wir artig sitzen, fahrend oder auch wartend, im Boot verbracht haben (mußten), belief sich auf 35:05h (max.10:05h, min 3:30h ). Zehn Stunden und fünf Minuten beengt und brav sitzen, daß habe ich  noch nie geschafft. Ralf aber auch nicht. Das soll sich der Schleusenwärter von Lehnitz in seinem weichen Sessel aber mal nachdenklich dabei werdend durchlesen und sich dick hinter seine Ohren schreiben. Die Reisegeschwindigkeit lag bei durchschnittlich 5,78 Km/h. Während die reine Durchschnittsgeschwindigkeit trotz der Schleichfahrt auf dem Vosskanal immerhin auf 9,17 Km/h betrug. Doch noch 0,17 Km/h schneller als auf der Havel erlaubt. Geblitzt wurden wir aber nicht. Dazu währen wir dazu auch viel zu klein gewesen. Und die Laserpistole, die hätten die Polizisten wegen uns auch ruhig zu Hause lassen können und statt dessen eine Angel mitnehmen sollen um sich ein paar Fische für das Abendbrot zu fangen. Denn einen Hühnerschreck den kann man damit nicht messen. Das geht einfach nicht.

Drei klägliche Versuche auf der Straße sind damit einmal gescheitert „ Zieh dir eine Rüstung an, wir kriegen dich nicht.“ Wie sähe das denn aus? Innerlich war ich doch sichtlich freudig erregt. Endlich mal etwas, womit man den „Kleinen“ mal nicht am Wickel kriegen kann.

Verluste, die hatten wir aber auch. Bei Ralf waren es ein Paar weggespülte Ohrstöpsel, ein zerrissenes Etui vom Fernglas und eine von üblen Ganoven geklaute Paddelhälfte. Einer ist dabei ja immer der Sieger und auf dieser Reise war ich es. Auch ein Paar weggespülte Ohrstöpsel, eine zerrissene Hose, eine Nuß von einem Kerzenschlüssel zusammen versenkt mit einer Zündkerze und eine irgendwo im tiefen dunklen Wasser verlorenen Brieftasche mit Ausweis, Führerschein, EC Karte, Krankenkassenkarte und etwas Bargeld. Allein die über siebzig Euro für den provisorischen und den neuen Führerschein hätten bestimmt ausgereicht um die beiden Damen der Führerscheinstelle eine Woche lang in der Kantine zu sättigen und somit auch ausreichend und füllend zu ernähren. Die Polizei von Brandenburg hat aber Tage später bei Ralf angerufen. Bei diesem Anruf sprachen sie vorsichtshalber aber auch gleich in ganzen Sätzen. Das geklaute Paddel sei gefunden worden. Es lag in dem Boot mit der eingeschlagenen Scheibe. So gesehen hätten es diese Gelichter für uns auch sichtbar „weglegen“ können. Oder wie immer es man auch nennen mag

Beim ersten Mal als ich einen Blick auf einen MAW Bootsmotor geworfen habe, war dieser Blick mit dem Gedanken verbunden, viel ist damit nicht. Als er in Schräglage am leeren Boot dicht über der Wasseroberfläche hing, da waren diese Gedanken noch schlimmer. Und als Ralf, ich hatte beim Anlanden mal wieder den Motor zu früh ausgestellt ihm auch noch einige Kellen Wasser vom Paddel her zukommen ließ, so das er dampfte und danach auch noch von Hamburg sprach. Da kommen wir nie an. Mein Vertrauen in ihn ging weit gegen Null Er hat uns aber das Gegenteil bewiesen, denn die Probleme wie mit dem Tümmler oder der Forelle, die man so von ihren ehemaligen Besitzern zu hören bekommt, die hat er nicht. Etwas an ihm zu schrauben das gibt es ja auch manchmal. Die Pannen unterwegs, waren bis auf die gebrochene Motortraverse auch etwas mit einkalkuliert. Aber bei den Einstellungen des Motors sollte man nicht ein Mensch der liederlichen Art sein. Denn die Kühlung des Motors ist je nach Windrichtung nicht immer optimal. Besonders nicht bei dem Motor am Fahrrad auf der Straße. Und dann zeigt der Hühnerschreck einem schon, wo sich der Hugo seinen Most so her holt. Denn Gott vergibt, aber der Hühnerschreck nie. Ich bin zwar nicht gläubig, aber es gibt doch Mitmenschen, die in überschwenglicher Art und Weise behaupten das dieser Motor nicht der große Wurf gewesen sei. Auf diese trifft man ja nun mal so ab und zu. Aber ich werde ihnen vergeben, ohne die Bibel oder ein Gesangbuch in der Hand zu halten. Und das in dieser sie einfach übersehenden Art und Weise, aber ohne dabei auch nur ein Wort zu sagen. Ich werde ihnen einfach nicht mehr zu hören. Und Ralf, der wird es bestimmt auch so handhaben. Mittlerweile ist er mit dem Hühnerschreck ja auch auf der Straße unterwegs.